Der Charme von Licht und Lärche

Neugestaltung der Evangelischen Toleranzkirche in Mitterbach

Der Charme von Licht und Lärche

Als Toleranzkirchen wurden die unter Josef II. zunächst nur als Bethäuser geduldeten Gemeindezentren der Protestanten bezeichnet. Die älteste und einzige in Niederösterreich steht in Mitterbach am Erlaufsee und blickt auf eine interessante Geschichte zurück: Sie geht auf Holzknechte  zurück, die aus der Dachsteinregion angeworben worden waren und ihren evangelischen Glauben mitbrachten. Sie übten ihn zunächst im Geheimen aus, erst 1782 ließ eine Magd als Erste ihr Bekenntnis offiziell eintragen. 260 Personen folgten ihr.

Glaube im Kleinen
Gebaut unter den baulichen Einschränkungen der Auflagen des Toleranzpatents (kein Turm, keine runden Fenster, kein straßenseitiger Zugang) wurde das Bethaus am Christtag 1785 eingeweiht. Diese daraus resultierende bilderlose Schlichtheit evangelischer Kirchen wurde hier noch durch die spartanische Ausstattung mit Holz und kalkweißen Wänden zusätzlich verstärkt.

Nach verschiedenen Veränderungen (Hochaltar 1839, Barockturm 1849, Orgel 1854) und Lackschichten der Holzeinrichtung, wurden bei der Renovierung 1970 zudem Baumaßnahmen getroffen, die sich vom ursprünglichen historischen Bild noch weiter entfernten: Betonboden, Teppich, Stufen, vor allem aber eine weit in den Raum gezogene Zwischendecke, die jegliche Sicht versperrte, die Orgel versteckte und ihren Klang minderte. Aufgemalte Mauerbögen gaben der Kirche den „gestalterischen Rest“.

Wie es einst gedacht war
All das wurde jetzt zurückgebaut. Seitlich laufen wieder, wie früher, zwei Emporen, deren Sitzlehnen sogar die Konstruktion tragen, was symbolisch auch ein bisschen das Gemeindeleben versinnbildlicht. Einige Bankreihen wurden entfernt und dadurch Platz für eine Treppe geschaffen, wie sie ursprünglich auch schon vorhanden gewesen ist. Außerdem wurde dadurch der Bereich vor dem Altar vergrößert, was nun mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Gottesdienste ermöglicht.

Vor allem aber atmet die Kirche wieder jenes Material, für dessen Menschen sie einst erbaut wurde: Lärchenholz natur – vollständig abgebeizt und nun von jener rohen Schönheit, die das Holz ausstrahlt, wenn man es ganz aus sich heraus wirken lässt. Hier spielt es all seine Trümpfe aus, von der Solidität der Bodendielen, die wie ein Schiffsboden wirken, über die Holzkanzel und einladenden Bänke (ohne Kniebänkchen, wie man sie von den katholischen Kirchen kennt) bis zu den filigran durchbrochenen Geländerflächen, in denen die Namen der ersten bekennenden Protestanten Mitterbachs stehen – ausgefräst in CNC-Technik und dann vom Tischler aufwändig händisch nachbearbeitet. Glaube als Erfahrung
Dieses intensiv gestaltete Holz tritt hier in ein intensives Wechselspiel mit Licht und symbolisiert auf diese Weise intensiv die Erfahrung des Glaubens in der Gemeinschaft, im Grunde also Kern und Mark der evangelischen Richtung des Christentums.

Dass dieses kleine Gotteshaus jetzt überhaupt renoviert werden konnte, verdankt sie der Niederösterreichischen Landesausstellung „Ötscher:Reich“, in deren Rahmen in Mitterbach eine Ausstellung zur protestantischen Geschichte des Ortes gezeigt wurde. Die Sanierungsbedürftigkeit der kleinen Kirche geriet damit ins öffentliche Interesse, schnell wurde von verschiedenen Stellen Hilfe zugesichert.

Gelungene architektonische Neugestaltung
Das Ergebnis kann sich sehen lassen.Verantwortlich zeichnen sich dafür die Architekten Beneder und Fischer, die auch schon an vielen anderen Sakralbauten behutsam ihre planerische Handschrift hinterlassen haben, beispielsweise an der Osterkapelle in Herzogenburg und an den Pfarrkirchen Lingenau, Weidling und Dornbirn-Oberdorf. Vor der Adaptierung der evangelischen Kirche in Mitterbach betrieben sie Feldforschung und untersuchten zahlreiche protestantische Kirchen und Bethäuser und studierten einschlägige Quellen.

Schlicht und schön
Besonders überzeugend ist an dieser Renovierung die minimalistische Schlichtheit, die so ganz zur Sachlichkeit des alten Protestantismus passt. Materialechtheit in einer ganz aufs Wesentliche reduzierten Konstruktion leitet hier schnell den Blick auf das, was für den Gläubigen zählt. Dass dieser Ansatz sehr stark mit der evangelischen Lehre korrespondiert, erschließt sich dem besonders leicht, der weiß, dass man in protestantischen Kirchen gern auf alles ablenkende Beiwerk verzichtet. „Weniger ist mehr“ könnte man sagen, aber das trifft es nicht.Vielmehr kommt es darauf an, das Richtige mit Bedacht einzusetzen. Und das ist hier vollauf gelungen.

Eigentümer: Presbyterium der Evang. Pfarrgemeinde A.B. Mitterbach, Pfarrerin Dr. Birgit Lusche

Planung: Architekten Ernst Beneder und Anja Fischer