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NÖ Gestalte(n) Ausgabe 138

NÖ gestalten 138 1111 Der Ort ist aus architektonischer Sicht deswegen so interessant, da durch die Initiative des Unternehmers Hugo Bunzl (1883-1961), der sich hier mit einer Pa- pierfabrik ansiedelte, im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in hoher Dichte mit großer Qualität gebaut wurde. Der sozial engagierte Bunzl stellte seinen Betrieb- sangehörigen Wohnmöglichkeiten zur Verfügung, geplant durch den bedeu- tenden Architekten Josef Frank. In Hohl- beton entstanden Reihenhäuser: 1919, direkte nach dem Ersten Weltkrieg, wa- ren Ziegel kaum zur Verfügung. Jede Wohneinheit wurde mit eigenem Balkon und Garten ausgestattet, die Eigenver- sorgung mit selbst gezogenem Obst und Gemüse war in Zeiten des Mangels ein wichtiger Faktor zur Verbesserung der Lebensqualität. Die Gemeinschaftsgrün- anlagen wurden vom Landschaftsplaner Albert Esch geplant. Aus dem Projekt, in Ortmann einen zentralen Platz mit Schu- le, Bibliothek und sogar einem Kranken- haus zu schaffen, wurde nichts, aber ein Kinderheim entstand 1921, ebenfalls ein Entwurf von Josef Frank. Im Gegensatz zur Arbeiterkolonie, die seit umfassen- den Sanierungsarbeiten vor einigen Jah- ren nicht mehr wiederzuerkennen ist, wurde das heute als Kindergarten betrie- bene Gebäude mithilfe des Denkmalam- tes behutsam renoviert. Der eingescho- ßige, langgestreckte Baukörper besteht aus mehreren Flügeln. Ein portikusartiges Mittelteil überhöht das querliegende Vo- lumen. Über dem Eingangsbereich befin- det sich eine Sonnenuhr. Die vertikalen Fenster, die durch Sprossen unterteilt sind, setzen asymmetrische Akzente an der Fassade. Der gebürtige Niederösterreicher Josef Frank (1885-1967) arbeitete gemeinsam mit Mies van der Rohe an der Kultstatus genießenden Weißenhofsiedlung (1927) in Stuttgart. Die bedeutende Internati- onale Werkbundsiedlung in Wien ent- stand Anfang der 1930er Jahre unter seiner künstlerischen Leitung. Wie auch andere Zeitgenossen befasste sich der ­Architekt mit der Frage, der Wohnung- not von ArbeiterInnen entgegenzuwirken und dabei neue Formen des Wohnens zu entwickeln. Als Anhänger der Gar- tenstadtbewegung setzte Josef Frank in Ortmann erstmalig ein Projekt um, dem weitere folgen sollten, durch die er eine verdienstvolle Anerkennung in der Ar- chitekturgeschichte erhielt. In Ortmann aber findet man weitere Zeugnisse sei- nes Schaffens: die 1914 errichtete „Villa Bunzl“ sowie das Direktorenwohnhaus der Papierfabrik von 1924. Die dreigeschoßige Villa für Direktor Herzberg-Fraenkl liegt an einem Hang. Dadurch tritt das Haus zurückhaltend auf: die Dimension ist nicht an allen Sei- ten sichtbar. Akzentuiert wurde Sicht­ ziegelmauerwerk als Kontrast zum hellen Putz eingesetzt. Das Walmdach ist grau. Im Inneren wurden großzügige Wohnsi- tuationen geschaffen. Die Führung des Unternehmens suchte, die eigene gesell- schaftliche Stellung nicht nach außen hin zu demonstrieren. In Josef Franks Wor- ten zählte vielmehr die „demokratische Ästhetik der Schlichtheit“. Diese verbin- det über alle sozialen Grenzen hinweg die Häuser, die der Architekt – in einem Atemzug zu nennen mit Adolf Loos und Josef Hoffmann – an diesem kleinen Ort in Niederösterreich geschaffen hat. Theresia Hauenfels Der gebürtige Niederösterreicher Josef Frank lebte von 1885-1967

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