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NÖ Gestalte(n) Ausgabe 138

NÖ gestalten 138 53 Eine meiner ersten Erfahrungen als Architekturstudent war, im Zuge einer Vorlesung, dass jeder Mensch seinen Raum aus- strahlt und mit sich herumträgt. Wir bestehen also nicht nur aus unserem Innenraum, dem Körper, sondern strahlen auch nach außen. In der Tierwelt wird dieses Ausstrahlen „soziale Distanz“ genannt, kann bei wissenschaftlicher Betrachtung ge- messen werden und beträgt z.B. bei Graugänsen 20 cm. Diese Distanz wird nur in bestimmten Situationen, z.B. bei Erregung, durchbrochen. Bei uns Menschen gibt es den Ausspruch, dass beim Eintre- ten von besonderen Menschen diese „erscheinen“ oder auch raumfüllend wirken. In der fernöstlichen Philosophie über die Auffassung von Räu- men, als Beispiel wird der Typus des japanischen Hauses be- leuchtet, sind die Räume neutral gehalten und in einem Raster- maß den Matten entsprechend angelegt. Diese Räume wirken nach außen. Der Garten ist ein wichtiger Bestandteil für diese Innenräume. Es soll der Mensch in seiner Ausstrahlung, dem Außenraum, auf den Innenraum wirken. Ganz anders ist unsere europäische Auffassung von Raumwir- kung und Raumerleben. Der Innenraum soll auf uns Menschen wirken, also auf unseren Innenraum. Viele Botschaften sollen auf diese Art und Weise vermittelt werden, wie Gottesfurcht, Darstellung einer Herrschaftsstruktur oder einfach nur eine ge- wisse Art der Selbstdarstellung, „Verspieltheit“ und oberfläch- lich betrachtet eine Modeerscheinung. Ein weiterer Gedanke betrifft das Hereinholen des Außen­ raumes in den Innenraum, wie es z.B. beim japanischen Haus in höchster Vollendung gelingt. Es stellt sich die Frage, welche Blickbeziehungen vom Innen- raum besonders wertvoll sind, um eine Öffnung in der ge- schlossenen Wand zu rechtfertigen. Ist es ein besonderer Baum, ein Teich, eine Grünfläche oder ein gekrümmter Straßenverlauf einer historischen Stadt, die einen Informationsfluss von außen nach innen ermöglichen sollen? Daneben sind gleichberechtig- te Kriterien wie Belichtung und Besonnung der Räume zu be­ achten. Durch diese Möglichkeit kann dieser Außenraum in das Inne- re geholt werden und dieses Raumerlebnis kann täglich von neuem stattfinden. Umgekehrt wirkt der Innenraum mit sei- ner gebauten Hülle auf den Außenraum als Begrenzung oder Rahmen, manchmal auch als Kulisse. Von einer abweisenden Gestaltung bis zum kompromisslosen Öffnen und Verschmel- zen von Innen und Außen ist die Bandbreite der Möglichkeiten unerschöpflich. Dieses einfach dargestellte Spiel von Außen und Innen kann in seiner Betrachtung als Raumfolge kombiniert und je nach den Raumfunktionen gestaltet werden. Es entsteht ein Wech- selspiel der Raumwirkungen, die auf uns Menschen wirkt und wir wieder ausstrahlen. Durch das bewusste Planen von Raum- folgen, deren Wirkung, dem Herstellen von Blickbeziehungen und Durchblicken erhalten wir ein erweitertes Raumerlebnis und einen höheren Wert unserer gelebten Umgebung. So ist diese Art des Raumkomponierens mit dem vorhandenen Wissen über Raumwirkung, Proportionen, dem Wirken Außen zu Innen eine höchst sensible und komplexe Tätigkeit, die nur mit äußerster Konzentration und dem Abrufen all seiner geisti- gen Kräfte ermöglicht werden kann. Während des Entwurfsprozesses zu einer Bauaufgabe, z.B. eines Wohnungsgrundrisses, überlagern sich im Kopf viele Gedanken, die neben der Wärmeausstrahlung gleichzeitig eine Lösung oder ein Entwurfskonzept liefern sollen. Diese teilweise wirren und unkontrollierten Geistesblitze sollen nun geordnet werden. Es gibt ein Sprichwort unter Architekten, welches lautet: „Planen heißt Ordnung machen“.

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