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NÖ Gestalte(n) Ausgabe 138

Fachartikel54 „Wenn wir im walde einen hügel finden, sechs schuh lang und drei schuh breit, mit der Schaufel pyramidenförmig aufgerichtet, dann werden wir ernst und es sagt etwas in uns: hier liegt jemand begraben. Das ist architektur.“ Diese Zeilen schrieb der richtungsweisende Architekt und Theo­ retiker Adolf Loos bereits im Jahr 1909. Er beantwortet dabei mit einem ganz einfachen Bild die Frage, unter welchen Um- ständen ein Haufen Material beginnt Architektur zu sein. Das entscheidende Kriterium ist offenbar, ob uns diese Ansamm- lung von Material etwas „sagen“ und bei uns entsprechende Reaktionen auslösen kann. Dies trifft natürlich auch auf alle an- deren Konstruktionen zu, seien sie aus Erde, Lehm, Holz, Stein, Ziegeln, Stahl oder Glas errichtet. Architektur als Medium Bleiben wir noch kurz beim Bild eines Wanderers im Wald. Für die meisten von uns, die ihr Alltagsleben unter urbanen Bedin- gungen gestalten, genügt es, den Wald ästhetisch wahrzuneh- men und je nach persönlichem Befinden und Geschmack zu unterscheiden, ob eine bestimmte Situation gefällt oder nicht, ob man sich dort wohl fühlt oder nicht. Ein Pilzesammler muss schon mit einem anderen Blick und einem besonderen Wissen im Wald unterwegs sein. Wenn er Erscheinungsbilder falsch in- terpretiert, kann ihn das ja unter Umständen das Leben kosten. Und erst recht muss ein Förster in der Lage sein, auf einer pro- fessionellen Ebene die Wahrnehmung der Bilder, die sich ihm darbieten, zu deuten. Er muss sicher erkennen, welche Bäume krank oder von Schädlingen befallen sind, ob der Wildbestand dem Ökosystem des Waldes entspricht etc. Er muss mit der Zeichensprache des Waldes ausreichend vertraut sein. Natür- lich wäre es auch für uns alle eine große Bereicherung unserer Spaziergänge über mehr diesbezügliches Wissen und darauf beruhende Interpretationsfähigkeiten zu verfügen. Erst recht treffen diese Phänomene auf die von Menschen ge- stalteten Kulturlandschaften, Ansiedlungen und Gebäuden zu. Vielleicht genügt es auch für einen Förster nach persönli- chem Geschmack in Städten schöne von hässlichen Situatio- nen zu unterscheiden, solange er die Signale der Ampeln, sie sind quasi die Pilze der Stadt, richtig deutet. Das Gehen durch Kulturlandschaften, Dörfer und Städte wird für uns alle um vieles interessanter, wenn man die „Sprache“ dieser baulich- räumlichen Phänomene einigermaßen verstehen kann. Gerade bei alten Strukturen, die – wie mehrfach überschriebene Texte – schon viele Überformungen durchgemacht haben ohne ihre ursprüngliche Aussagekraft ganz zu verlieren, ist der Versuch einer tiefer gehenden „Lektüre“ immer besonders spannend. Bauen und zwar lebensgerecht 13. Teil: Was ist Architektur?

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