sondern plötzlich auch viel mehr. Landauf, landab verbesserte das die Bausubstanz, nach und nach wichen die alten braunen Häuser den roten aus den guten Mauerziegeln. War früher jeder Brand ein bisschen anders, so gab es nun standardmäßig die bessere Qualität. Und der Ringofen sparte dabei auch noch Brennmaterial ein, er führte zu wirtschali- cherer Ziegelherstellung und machte diesen wertvollen Baustoff billiger. Um die Erfindung des Ringofens gab es einen Patentstreit. Die neuartige Brennanlage ent- stand Mitte des neunzehnten Jahrhunderts und fegte die bis dahin üblichen kleinen Brennkammern hinweg. Überall schossen nun Ringöfen aus dem Boden, allein in Glindow bei Berlin wurden im Jahre 1866 drei solcher Anlagen gebaut. Das Neuartige an diesen Öfen war ein Kammernsystem, durch das ein kontinuierliches Brennen möglich wurde. Im Prinzip handelt es sich um ein unterteiltes ringförmiges Gewölbe, in dessen Kammern unabhängig voneinander ein Brennfeuer betrieben werden kann. Ist der Brand fertig, verwendet man die nächste Kammer, und so läu das Feuer in ein bis zwei Wochen einmal durch den Ring. Vor- teilha ist dabei, dass man die Abwärme gleich für das Trocknen und Vorwärmen der nächsten Rohlinge sowie für das Erwärmen der Zulu verwenden kann und das Arbeiter in allen Brennstadien beschäigt werden können: vom Einlegen der Rohlinge über die Führung des Brands bis zum Herausnehmen der fertigen Ziegel. Dadurch lassen sich Energie und Arbeitskra sehr viel wirtschalicher einsetzen, während die Produktionsmenge erheblich gesteigert wird. Ein Besuch im Ziegelwerk von Pottenbrunn, einen Steinwurf von Sankt Pölten entfernt, ist wie die Reise in eine andere Zeit, eine andere Welt. Monica Nicoloso, Juniorchefin des alten Familienbetriebs und ihr Vater Vittorio haben in ihrem kleinen Büro schon den Kamin eingeheizt, weil sich der Sommer neigt. Zutrauliche Hunde umspielen den Besucher, und der spürt, wie hier die Zeit wie feiner Staub auf allen Dingen ruht. Draußen, auf dem weitläufigen, von einem imposanten Fabrikschlot dominierten Areal, liegt der Regentau und liegen Ziegel ver- schiedenster Art, jeweils adrett zu Quadern geschlichtet. Alles wirkt ein bisschen einge- wachsen, dazwischen steht Frau Nicoloso, das Haar zaust im Wind, und man spürt, wie sehr sie an diesem Flecken Erde hängt. Auch rund um die Ofenanlage sieht es keineswegs aus wie in den chromblitzenden Fertigungs- straßen der Großkonzerne. Tausenderlei steht an den Wänden, zumeist Ziegel auf Paletten, gebrannte und ungebrannte. Dahinter düstert das große unbekannte Dunkel, der Ringofen. Es gibt in Österreich und Italien keinen zweiten, nur in Deutschland und einigen fernen Ländern gibt es sie noch. Dabei war der Hoffmannsche Ringofen bei seiner Erfindung Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine unerhörte Neuerung. Mit ihm konnte man nicht nur genauer brennen, Beim Brennvorgang wird von der über dem Ofen befindlichen Schürebene aus durch Röhren Kohlengrieß direkt auf die Flammen gefüllt. Der Brennstoff fällt zwischen die mit Lücken aufgeschichteten Ziegel und sorgt zusammen mit der Zulu für hohe Brenn- temperaturen. Dadurch entstehen die typischen Farbschattierungen auf den Ziegeln: Wo sie aufeinanderliegen, verfärben sie sich nicht so stark wie an den für die Brenngase frei zu- gänglichen Stellen. Deshalb sind die nach alter Art gebrannten Ziegel auch leicht als solche erkennbar. Für die Denkmalpflege sind solche Ziegel nach wie vor besonders wichtig, sie lassen sich mit den heutigen modernen Fertigungsmethoden nicht nach- ahmen. Heute ist der Ringofen also ein Stück Vergangenheit, aber früher stieß er das Tor zur Zukun auf. Und ein Ringofen ist heute wertvoller denn je: Die Ziegelei Nicoloso hat erfolgreich eine Nische besetzt und bietet aufgrund ihrer Spezialisierung neben der üblichen Handels- ware auch all diejenigen Ziegel an, die man anderswo schon gar nicht mehr herstellen kann, weil dort das Fachwissen fehlt. Einer- seits sind das ungebrannte Lehmziegel mit ihren überragenden klimatisierenden und wärmespeichernden Eigenschaen, anderer- seits Spezialziegel aus alter Zeit, die reichlich vom Bundesdenkmalamt und stilbewußten Bauherren bestellt werden. Man kann ohne weiteres sagen, daß in diesem Betrieb altes handwerkliches Wissen bewahrt wird. Bei den Firmen, die rein maschinell arbeiten, können die Menschen nicht viel mehr, als Knöpfe zu drücken. Hier hingegen wird mit Fingerspitzengefühl gebrannt, wodurch sich Qualität, Härte, Farbe und Gleichmäßigkeit der Ziegel unmittelbar beeinflussen lassen. Die letzten Hüter der Tradition sind wichtiger, als man zunächst denkt, denn historische Ziegel lassen sich nur mit historischer Technik brennen, und die historische Technik ist dabei auch selbst zu etwas Musealem geworden. Auch deshalb spürt man hier die Zeit so intensiv. * GESTALTE(N) 23 ) ( N E T L A T S E G , r e m m o r P t r e b r o N : s o t o h P