Barbarawarte in Karnabrunn

Die Barbarawarte wurde als autarke Insel konzipiert - völlig unabhängig von jeglicher Infrastruktur. So wurde beim Neubau diese auf ein Minimum von rund 45m² reduziert. Die Struktur besteht aus einer massiven Stahlbetonkonstruktion, in der die von außen begehbare Stahlturmkonstruktion eingespannt ist. Das Grundbedürfnis bleibt dabei dasselbe wie früher: Schutz!
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AUSSICHTSTURM MIT SCHUTZCHARAKTER | Ein Hybrid aus Schutzhütte und Aussichtswarte

Am historischen Standort eines ehemaligen Wachturms des Schlosses Karnabrunn entstand ein bemerkenswerter Hybrid aus Aussichtswarte und Schutzhütte. Dabei wurde die ursprüngliche Schutzfunktion neu interpretiert: Mit seiner markanten Architektur, autarken Energieversorgung und vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten wurde ein zeitgemäßer Rückzugsort zwischen Tradition und Innovation geschaffen.

Schloss Karnabrunn erhebt sich samt anschließendem Schlosspark auf einer sanften Anhöhe am nördlichen Rand des gleichnamigen Dorfes. Die Erbauung des Ensembles geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Das Schloss wurde als Wehranlage mit Burggraben konzipiert. Zusätzlich spielte für die Verteidigung ein Signalpunkt eine zentrale Rolle: Eine Warte, die am höchsten Punkt des bewaldeten Schlossbergs errichtet wurde, stand in perfekter Sichtverbindung zur Burg. Um die direkte Kommunikation dieser Verbindung zu gewährleisten, wurden in dessen Sichtlinie (sog. Tempelallee) Bäume und Sträucher ausgespart und sogar die Kuppe des Berges teilweise abgetragen. Dieser ursprüngliche Wachturm, der einst dem Schutz und dem Überleben der Burgbewohner diente, existiert heute nicht mehr – an seiner Stelle steht nun die Barbarawarte.

Vom Wachturm zur Aussichtswarte
Der ursprüngliche Wachturm wurde als reiner Zweckbau ausgeführt.  Dieses funktionale Bauprinzip wurde auch beim Basisbau der Schutzhütte aufgegriffen. So wurde beim Neubau diese auf ein Minimum von rund 45m² reduziert. Die Struktur besteht aus einer massiven Stahlbetonkonstruktion, in der die von außen begehbare Stahlturmkonstruktion eingespannt ist. Das Grundbedürfnis bleibt dabei dasselbe wie früher: Schutz!

Der Aussichtsturm selbst besteht aus einer 24 Meter hohen Stahlkonstruktion. Diese Höhe wurde bewusst gewählt, um knapp über die Wipfel der Eichenbäume hinwegblicken zu können. Sechs Formrohrstützen, die in die Stahlbetonkonstruktion eingespannt sind, bilden zusammen mit einer Stahlwendeltreppe samt Aussichtsplattform den Turm. Bei der Planung der neuen Aussichtswarte war es dem Bauherrn ein besonderes Anliegen, den wehrhaften Charakter des Vorgängerbaus aufzugreifen. Der Neubau interpretiert diesen funktionalen Aspekt auf zeitgemäße Weise. Bewusst gewählte Materialien prägen das Erscheinungsbild: Sichtbeton, Stahlkonstruktion und vorvergrautes Lärchenholz verleihen dem Bauwerk seine markante, robuste Erscheinung.
Im Bereich der Fenster und Türen wurde das Lärchenholz mit verschließbaren Elementen versehen, sodass das Gebäude bei Nichtbenutzung vollständig geschlossen werden kann.

Von der Schutzhütte zum Wohnraum
Da die Schutzhütte auch zu temporären Wohn- und Veranstaltungszwecken genutzt werden soll, wurden verschiedene Funktionsbereiche geschaffen: Im Eingangsbereich befindet sich die Küche, die bei Veranstaltungen auch als Ausschank dient. Dahinter sind eine Sanitäreinheit sowie ein Technikraum untergebracht. Die tiefer liegende Kaminecke wurde als Ruhe-, Lese- und Kommunikationszone konzipiert und bietet einen Rundumblick in die Natur. Von hier aus können Besucher den Wald und mit etwas Glück auch Waldtiere beobachten. In stillen Momenten ist das sanfte Windspiel der Turmkonstruktion zu hören. Ein kleines Galeriegeschoß, das als Schlafbereich dient, komplettiert die Nutzungsmöglichkeiten. Die Materialität im Inneren wird von Sichtbeton mit Rauschalung und grauen Epoxidharzböden bestimmt. Eichenholzmöbel sowie Einbauten sorgen für eine behagliche Wärme.

Von der Schutzhütte zum Wohnraum
Die Barbarawarte wurde als autarke Insel konzipiert – völlig unabhängig von jeglicher Infrastruktur. Um dies zu ermöglichen, wurde ein durchdachtes energieautarkes System umgesetzt: Das geneigte Flachdach sowie eine Turmseite wurden mit Photovoltaikpaneelen ausgestattet, die den benötigten Strom erzeugen. Die Wasserversorgung erfolgt über einen eigenen Wassertank, während ein separater Fäkalientank die Entsorgung sicherstellt.

Eigentümer: DI Hans-Gregor Koller
Planung: RIGEWA Riedner Gepp Waldhör Architekten ZT GmbH
Autorin: DI Barbara Calas-Reiberger
Fotos: Romana Fürnkranz
Luftbild: Paula Gepp-Pfingstmann