Städte und Gemeinden sind Verursacher und Betroffene zugleich:
Dicht bebaute, versiegelte Bereiche beeinträchtigen die Aufnahme und Rückführung von Regenwasser in den natürlichen Wasserkreislauf erheblich. Starkregen und lokale, hochergiebige Gewitterzellen treffen vermehrt auf zunehmende Perioden ohne Niederschlag und trockene Böden mit verminderter Wasseraufnahmefähigkeit und lassen so „Pluviale Hochwässer“ (ohne direkten Bezug zu Bächen, Flüssen, Seen) entstehen.
Neben Sturzfluten und der Überlastung des Kanalnetzes entstehen physische Gefahren für Straßen samt Verkehr und Immobilien mit Gesundheitsrisiken für Bewohnende der überhitzten Straßen- und Wohnräume.
Dezentrales Regenwassermanagement – Möglichkeiten der Blauen und Grünen Infrastruktur
Um Siedlungsräume wie Schwämme wirken zu lassen, ist die Entsiegelung entscheidend.
Evaluierungs- und Entscheidungsprozesse für künftige Bauvorhaben und -maßnahmen können hierfür unterschiedliche Wege aufzeigen, um maßgeschneiderte Lösungen für den jeweiligen Ort und seine Aufgabenstellungen zu entwickeln.
Zur Steigerung der Resilienz gegenüber künftiger Naturgefahren ist es ratsam, verstärkt auf die Kombination unterschiedlicher Ansätze und deren Multifunktionalität zu setzen, beispielsweise:
- Entsiegelung großer Asphalt- und Betonflächen durch offenporige und wasserdurchlässige Gestaltung
- Vermeidung weiteren Bodenverbrauchs und Zersiedelung durch Maßnahmen der Raumordnung
- Recycling von Bestandsmaterialien, z.B. können Teile des Straßenoberbaus im Rahmen von Bodenmischungen für Pflanzbeete und Staudenmischpflanzungen genutzt werden, aber auch Pflastersteine mit offenporigem Fugenanteil als Sickerpflaster Wiederverwendung finden;
- Implementierung dezentraler Systeme bei Neugestaltungen: Straßenentwässerungen können als attraktiv bepflanztes natur-basiertes Versickerungs-, Retentions- und Speichersystem ausgebildet werden
- Umdenken, z.B. bevorzugt Dachbegrünung anstelle von Kiesdächern
- Sammeln von Niederschlagswasser zur Bewässerung des eigenen Gartens (Regentonnen, Zisternen)
Technisch und gestalterisch bieten die Blaue und Grüne Infrastruktur eine Vielzahl von Möglichkeiten. Ein kurzer Überblick zu einzelnen Maßnahmen und ihren Effekten ist in Abbildung 1 dargestellt.
Die Wirkmächtigkeit dezentralen Regenwassermanagements kann durch die gezielte Kombination einzelner Bausteine gesteigert werden.
Zum Beispiel kann überschüssiges Wasser von extensiven Gründächern zur Bewässerung tiefer liegender Dachgärten und angrenzender Grünflächen zu ebener Erde genutzt werden, was zu einem kaskadierenden Regenwassermanagement führt.
Schwammstädte nehmen Niederschlagswässer nicht nur auf, sondern reinigen und speichern es auch, bevor es durch Pflanzen und diffusionsoffene Flächenbefestigungen verdunstet wird und mittels adiabater Kühlung spürbar zur Verbesserung des Mikroklimas beiträgt. Die Speicherung von pflanzenverfügbarem Wasser im oberen Bodenbereich (obere 80 Zentimeter) führt in Kombination mit einer an den Standort angepassten Pflanzenauswahl zu einer Reduktion der Kosten für Bewässerung und Pflege.
Im Folgenden werden unterschiedliche Projekte und Systeme vorgestellt, die die Nutzung von Regenwasser im Siedlungsraum ermöglichen, darunter auch Möglichkeiten zur Begrünung an Standorten, wo dies bisher aufgrund von Verbauung und Platzmangel nicht möglich war.
Aktuelle Entwicklungen und Forschungsprojekte
Das Schwammstadt-Prinzip für Bäume ist eine technische Weiterentwicklung aus Österreich des Stockholmer Baumpflanzsystems. Diese Bauweise ermöglicht es, Regenwasser im befestigten Straßenraum lokal aufzunehmen, zu speichern und den Straßenbäumen zur Verfügung zu stellen. Ein größer als üblich vorgesehener Wurzelraum mit wasserspeicherndem Skelettsubstrat aus groben und feinen Körnungen bietet ausreichend Wasser und Nährstoffe, wodurch bessere Wuchsleistungen bei den Bäumen erzielt werden können.
Abb. 2 und Abb. 3
Das Prinzip der Regengärten – etwas vertiefte Grünflächen mit spezieller Bepflanzung – erfuhr mit dem gleichfalls in Österreich entwickelten System DrainGarden eine technologische Weiterentwicklung. Dieses naturbasierte System dient der Versickerung, Retention, Filterung und Speicherung. Attraktive flächige Bepflanzungen mit Straßenbäumen, pflegeleichten Blütenstauden und Ziergräsern sorgen für die „Entleerung“ der in den feinen Strukturen der Bodenmatrix gespeicherten Niederschlagswässer.
Abb. 4
Oftmals verhindern technische Einbauten Bäume zu pflanzen, welche jedoch ein unverzichtbares Element Grüner Infrastruktur zur Schaffung klimaresilienter und lebenswerter Siedlungsräume sind. Das Forschungsprojekt StreetTREE hat eine innovative Baumpflanzmethode entwickelt, um Bäume in bestehenden städtischen Strukturen zu integrieren. Eine wurzeldichte Wanne unter dem Baum dient als Wasserspeicher und Erweiterung des Wurzelraums des darüber befindlichen Pflanzgefäßes. Mittels einer Pumpe wird das gespeicherte Wasser zur Bewässerung des Baumes genutzt.
Abb. 5
Coolways, ein österreichisches Forschungsprojekt mit internationaler Beteiligung, hat die Entwicklung einer intelligenten, sensorgesteuerten adiabaten Kühl- und Dämpfungs-Pflastertechnologie zum Ziel. Der in einer temporär wassergefluteten Bettung liegende Pflasterbelag wird über eine Zisterne mit Wasser versorgt, was eine spürbare Abkühlung der Umgebungstemperatur durch Verdunstung von gesammeltem Regen- und Grauwasser ermöglicht.
Abb. 6