Lange lag das ehemalige Wirtschaftsgebäude der Winzergemeinschaft im Hof der Volksschule in Retz ungenutzt da. Die Architekten Oberstaller und Sammer bauten es zur Nachmittagsbetreuung um.
In der Erntezeit war das Verkehrsaufkommen in der Retzer Pfarrgasse früher besonders hoch. Vor etwa 30 Jahren fuhren die Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen der Winzergenossenschaft im Hof der Volksschule ein und aus. Denn das eingeschossige Gebäude, das im Westen das Einfahrtstor rahmt, war ihre Press- und Gärhalle mit Flaschenwäscherei und Doppelrebler unterm Dach. In den 1990ern verlagerte die Genossenschaft ihre Produktion, die Gemeinde kaufte das Gebäude, das im Nordosten den Pausenhof der Volksschule begrenzt.
Der schmucke Barockbau steht zur Gänze unter Denkmalschutz, sein Haupteingang liegt genau in der Flucht der Hofeinfahrt im Mitteltrakt, der einen Vorplatz rahmt. Im nordöstlichen Gebäudeflügel befindet sich das Pfarrhaus der dahinterliegenden St. Stefanuskirche, weshalb auch die Pfarre den Hof nutzt.
Die Lösung vor der Tür
Seit 2015 gab es in der Volksschule eine Nachmittagsbetreuung, die in der einstigen Garderobe ein Schattendasein führte. Durch ihre Räume verlief ein Mittelgang. „Die Pädagoginnen hatten überhaupt keinen Überblick“, sagt Thomas Heidenreich. Auch sonst lag einiges im Argen, der ehemalige Finanzstadtrat weiß, wovon er spricht. Seine Kinder gehen in diese Volkschule.
Heidenreich engagierte sich im Volksschulausschuss, fand Mitstreiterinnen und -streiter, machte mobil und brachte das Thema im Gemeinderat ein. Im Juni 2021 machten Architekt Wolfgang Zehetner und Direktorin Susanne Zlöbl, sowie die Obfrau der Volksschulgemeinde Retz, Eva Heilinger, eine ausführliche Gebäudebegehung, um zu erheben, wo Handlungsbedarf bestand. Es brauchte eine neue Nachmittagsbetreuung.
Die Lösung lag gleichermaßen vor der Tür: Architekt Christophe Oberstaller vom ortsansässigen Büro Oberstaller und Sammer prüfte, ob die Press- und Gärhalle als Nachmittagsbetreuung geeignet wäre. Mit ein paar Änderungen schien das möglich. „Die Doppelrebleranlage war eine massive statische Belastung von mehreren Tonnen, die musste weg“, sagt Oberstaller. Die Tragkonstruktion bestand aus Eisenbahnschienen und Stahlstützen, Erstere wurden mit dem Schneidbrenner in kleine Teile zerschnitten. Diese Brachialaktion bot die Gelegenheit, das Ziegeldach neu zu decken.
Ein Hof zum Spielen
„Die ehrwürdige Linde wollten wir unbedingt erhalten“, sagt Oberstaller. Sie bildet nun das Schatten spendende Zentrum im Hof, der früher asphaltiert und meist zugeparkt war. Grünraumplanerin Clara Ulrich-Karasek gestaltete ihn mit ockerfarbenem Beton, Bänken und Spielgeräten, Rasen- und Kiesflächen. Außerdem wurden Hecken und Weidegräser gepflanzt. Die Linde bekam eine runde Bank um den Stamm gewickelt, dahinter windet sich ein Parcours durch Fallkies, die Pylonen, die aus dem Boden ragen, eignen sich auch zum Aufspannen von Hängematten.
Heute spielen hier die Kinder in der Pause, am beliebtesten ist der Parcours. Ein Zaun erleichtert die Aufsicht und erhöht die Sicherheit. Der Freibereich im hinteren Teil des Hofes wurde mit Sand belegt und Sitzhockern aus Beton besiedelt. Hier verbindet auch ein gedeckter Gang den Bestand mit der neuen Nachmittagsbetreuung.
Der einstige landwirtschaftliche Nutzbau zeigt sich nun neu gedämmt und in hellen, nuancierten, erbsengrünen Farbfeldern frisch verputzt. Das einfahrtsseitige Eck wurde gerundet, damit kein Auto mehr anfährt. Der rechteckige Grundriss von 26,4 Metern Länge und 11 Metern Breite mit den drei Stützen in der Mitte ist sehr offen, alle Fenster wurden ausnahmslos bis zum Boden weitergezogen und zu breiten Öffnungen vergrößert. Einzig der stirnseitige Raum bei der Einfahrt hat von drei Seiten Licht. Dort befinden sich die Küche und viele kleine Tische mit grünen Sesseln. Man kann sie zusammen- oder auseinanderschieben, sie sind weit mehr als ein Speisesaal. Hier sitzen die Kinder oft.
Eine Wand mit einem breiten, offenen Durchgang trennt ihn vom großen, angrenzenden Gemeinschaftsraum. Die großen Fenster machen ihn sehr hell, marmoriertes Linoleum, eine Akustikdecke und die Lüftung schaffen eine angenehme Atmosphäre. „Freilich wirkt sich das auf die Kinder aus. Sie sind viel ausgeglichener“, sagt Leopoldina Schuster, die Leiterin der Nachmittagsbetreuung. Die Möblierung fungiert als Raumteiler. Hinter der Glastür gegenüber der Garderobe befindet sich der Ruheraum mit chilligen Sitzpolstern und bunten, gepolsterten Stofffeldern an der Wand. Hier kann man besonders gut entspannen.
Eigentümer: Volksschulgemeinde Retz
Planung: Oberstaller & Sammer Architekten
Autorin: DI Isabella Marboe
Fotos: Wolfgang Spekner
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