Von der nüchternen Gaststätte zum stilvollen Designhotel: Das Haus erstrahlt heute in neuem Glanz und bietet seinen Gästen ein einzigartiges Wohlfühlerlebnis. Dem Wiener Architekturbüro M&G ist es gelungen, historisches Erbe und zeitloses Design unter einem Dach zu vereinen. Das wohnliche Interieur zeichnet sich durch eine dezente Farbgebung und kuratierte Möbelklassiker aus.
Das Refugium befindet sich am Kirchenplatz, positioniert zwischen der Ybbs und der Pfarrkirche, inmitten des malerischen Bergsteigerdorfes Lunz am See. Rund um den Kirchenplatz sind mehrere Gasthäuser, Cafés und kleine Geschäfte situiert, die das Dorfzentrum prägen. Die Geschichte dieses Gebäudes ist vielseitig und reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.
Platz für Geselligkeit
Um 1608 nahm das Gebäude seinen Betrieb als Gaststätte auf und diente vor allem als wichtige Anlaufstelle für die Verpflegung der Bergleute in Lunz, die im Kohlebergbau (ab dem Anfang des 18. Jahrhunderts bis 1953) und später im Erzabbau (zwischen 1750 und 1840) tätig waren. Schon lange davor war aber die Versorgung der „Innerberger Knappen“ am Erzberg das Haupteinkommen der Hausbesitzer, die als „Proviantführer“ Erz ins Voralpenland und im Austausch Lebensmittel in die Täler brachten. Neben der Versorgung der Bergarbeiter bot das Haus auch Gästezimmer und eine Schmiede zur Reparatur von Werkzeugen und Ausrüstung. Es passte sich stets den wechselnden Bedürfnissen der Arbeiter an.
Über mehrere Jahrzehnte war es somit eine wichtige Anlaufstelle für die Arbeiter und die dort ansässigen Bewohner. Der Erz- und Kohleabbau wurde im 19. bzw. 20. Jahrhundert eingestellt, wodurch heute keine aktiven Bergwerke mehr in Lunz am See betrieben werden. Mit dem Niedergang der Bergbauindustrie verlor die alte Gaststätte ihre einstige Bedeutung. Im 20. Jahrhundert wurde das Gebäude als Wohnhaus und im Erdgeschoß als Geschäftslokal genutzt. Das Erscheinungsbild verblasste, und erste Anzeichen von Vernachlässigung wurden sichtbar.
Unter diesen Umständen fanden die heutigen Besitzer das Bestandsgebäude vor. Sie haben beschlossen, die alte Gaststätte wieder mit Leben zu füllen und ihr frischen Glanz zu verleihen. Dabei wurden die historischen Gegebenheiten wertschätzend berücksichtigt. Um den Ansprüchen der neuen Nutzung und den hohen technischen Anforderungen gerecht zu werden, mussten dennoch einige Eingriffe vorgenommen werden. Mit viel Fingerspitzengefühl gelang es, Alt und Neu harmonisch miteinander zu vereinen. Heute beherbergt das Refugium 23 liebevoll gestaltete Zimmer und Suiten, ein Restaurant mit großzügigem Außenbereich, eine antike Stube aus dem 17. Jahrhundert, einen Spa-Bereich mit beheiztem Outdoorpool und Sauna sowie eine Salonküche, die auch als Showküche genutzt werden kann.
Schichten an Geschichte
Das Bestandsgebäude erstreckt sich über ein Keller-, ein Erd- und zwei Obergeschoße. An der Süd- und Ostseite des Gebäudes wurde das Fundament mittels Düsenstrahlverfahrens (DSV) gesichert. Anschließend erfolgte eine Abgrabung des Geländes um 5 ½ Meter. Im neu errichteten Untergeschoß konnten 9 Gästezimmer sowie alle erforderlichen Nebenräume für Restaurant und Hotel untergebracht werden. Darüber befindet sich das Restaurant mit Blick auf die Ybbs sowie das Saunahaus inklusive Yogaraum. Eine großzügige Terrasse mit Outdoorpool verbindet die beiden Gebäudeteile miteinander. Hier genießt man den Blick auf das umliegende Bergpanorama und lauscht dem sanften Plätschern des Flusses.
Die der Kirche zugewandte Fassade blieb in ihrer ursprünglichen Pracht erhalten und erhielt einen frischen Anstrich in dezentem Grau. Vergilbte Eternitplatten an den seitlichen Fassadenflächen wurden entfernt. Die Faschengliederung wird in Weiß betont. Auffällig ist die unregelmäßige Achsenfolge der Tür- und Fensteröffnungen. Nicht-originale Kunststofffenster wurden durch neue Holzfenster ersetzt, um dem ursprünglichen Erscheinungsbild zu entsprechen. Ein prägendes Merkmal ist das Mansardgeschoß, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinzugefügt wurde.Die Südseite des Gebäudes, die zum Fluss Ybbs hin ausgerichtet ist, präsentiert sich mit einer deutlich moderneren Gestaltung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Zimmer in diesem Bereich situiert sind und einen direkten Zugang zur Terrasse benötigen.
Die Innenräume im Erdgeschoß sind mit Tonnengewölben, Stichkappen und Rundbögen ausgestattet. Besonders hervorzuheben ist die alte Stube aus dem 17. Jahrhundert. Die zuvor verborgene Tramdecke wurde freigelegt und ebenso wie die Bruchsteinwände durch Sandstrahlen behandelt, was dem Raum mit den originalgetreu erneuerten Kastenfenstern ein historisches Flair verleiht. In den Obergeschoßen wurde die ursprüngliche Raumaufteilung größtenteils beibehalten und mit einer neuen Ausstattung versehen. Das Interiordesign ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Der Anspruch war es, höchste handwerkliche Qualität, hochwertige Materialien und zeitloses Design zu vereinen, um ein Ambiente zu schaffen, in dem man sich rundherum wohlfühlt.
Eigentümer: Lunz Dorf GmbH | Joachim Mayr und Heinz Glatzl
Planung: Mayr & Glatzl Inneneinrichtungs- und Planungs GmbH
Autorin: DI Barbara Reiberger
Fotos: Romana Fürnkranz
Drohnenfotos: Christoph Bertos