Der Bauherr kennt Willendorf von Kindheit an. Er liebt den Ort und das Alte. Deshalb wollte er seinen Stadl mit viel Wertschätzung saniert wissen. Zimmer- und Baumeister Franz Kinastberger machte seine Sache gut. Selbst die Solarpaneele sitzen hier fast bündig im neu gedeckten Schindeldach.
Die Weltkulturerberegion Wachau ist nicht nur malerisch, sie ist auch fruchtbar. Im milden Klima gedeihen Wein und Marillen. Seit der Steinzeit ist die Wachau besiedelt. Im Jahre 1908 stieß man in Willendorf auf die 11 cm große, füllige Venusfigurine aus dem Sedimentgestein Oolith. Sie dürfte zwischen 27.150 bis 26.850 vor Christus entstanden sein und machte Willendorf berühmt. Von ihrer Fundstelle überblickt man den Ort, dessen Straßen alle Willendorf heißen.
Die Eltern des Bauherrn betrieben dort eine Landwirtschaft mit ein paar Kühen, Schweinen und Hühnern. Sie bauten Ackerfrüchte, Weizen, Obst und Wein an, den sie auch in ihrem Heurigen ausschenkten. In den 1990er Jahren übernahm der Bauherr den Betrieb im Nebenerwerb und stellte auf Marillenanbau um. Der Hof liegt in einer schmalen Gasse, in die die Zufahrt eine Lücke schlägt. Links davon das Bauernhaus, seine Grundmauern reichen bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück. Rechts davon errichtete man 1924 einen Stadl. Sein schmaler, kurzer Trakt mit dem niederen Satteldach verläuft parallel zur Straße, im rechten Winkel dazu baute man den breiteren, längeren Flügel mit dem Heuboden an. Daher war er höher und hatte ein Krüppelwalmdach. Die Überschneidung der beiden Dächer erzeugt eine interessante Form.
Teil der Landschaft und Geschichte
Der Bauherr schätzt die zweckmäßige, schlichte Architektur dieser Bauten sehr. Für ihn sind sie ein Teil der Kulturlandschaft und ihrer Geschichte. Nur der Parkplatz des benachbarten Gasthofs „zur Venus“, der für das soziale Leben von Willendorf extrem wichtig ist, trennt den bauherrlichen Hof von der Landschaft. Nach und nach adaptierte er ihn für seine Bedürfnisse. Er tat es mit aller gebotenen Umsicht. 2013 setzten die Architekten Christoph Feldbacher und Volker Dienst eine schlichte, loftartige Dachwohnung auf den Bestand. Der nordseitige Giebel wurde vollverglast, von der Terrasse mit Dachvorstand sieht der Bauherr auf seine Marillen und die Donau. Diesen Blick böte auch der Heuboden, wenn er denn ein Fenster hätte.
Vor vier bis fünf Jahren befestige der Bauherr den gestampften Lehmboden der Scheune mit geglättetem Beton, vor zwei Jahren ließ er den Hof mit Granitstein aus der Umgebung pflastern, einem Material, das sich schon beim ältesten Haus von Willendorf findet. 2024 wurde der Stadl dann komplett saniert, seither hat seine Nordfassade auch ein Fenster aus Schwarzstahl. Den Rahmen mit dem schönen, schlichten Fensterband fertigte ein befreundeter Schlosser. Auch die beiden hohen, schmalen Fenster in den Ecken der Nord – und Ostfassade, die nun mehr Licht in den Stadl bringen. „An den richtigen Proportionen und der Lage dieser Öffnungen haben wir lang getüftelt“, sagt der Bauherr. Dabei standen ihm die Architekten, die seinen Dachausbau geplant hatten, wieder beratend zur Seite.
Schönes Bauwerk
Als man den Putz vom Sockel der Scheune abschlug, kam auch dort Granit zum Vorschein. Man legte das Natursteinmauerwerk frei, mit viel Hingabe und Sorgfalt sanierte man das Mauerwerk und füllte die Fehlstellen aus. Die alte Dachkonstruktion wurde von den Handwerkern teils mit Sandstrahlung-, teils mit Trockeneisverfahren schonend gereinigt. Die alten Dachziegel ersetzte man mit handgespaltenen Lärchenholzschindeln aus Tirol. „Wir wollten die alten Strukturen erhalten und ein schönes Bauwerk schaffen, das auch ins Ortsbild passt“, sagt Baumeister Franz Kinastberger. Der Stadl ist ungedämmt, unbewohnt und schafft vor allem ein großzügiges Volumen zum Lagern, Feiern und Verkosten von Marillen in jeder Form. Man kann dort aber auch gut entspannen oder sich von der Atmosphäre und Kraft des Stadls inspirieren lassen. Trotzdem wollte der Bauherr Solarenergie erzeugen. „Ich finde es einen schönen Gedanken, aus der Sonne Energie zu beziehen, zu speichern und ins Stromnetz einzuspeisen.“ Besonders stolz sind Bauherr und Baumeister auf die ästhetische Lösung, die sie gefunden haben. Die Solarpaneele wurden ost- und südseitig bündig in die Dachfläche eingebaut, sie erzeugen Strom und fungieren gleichzeitig als Eindeckung. Sie sind anthrazitgrau und haben eine feine Struktur. „Wie ein Nadelstreif“, sagt der Bauherr.
Wenn die Schindeln ergraut sind, werden sie noch besser ins Dach passen. Genauso, wie der Stadl gut in die Landschaft passt. Blickt man von der Fundstelle der Venus in den Ort, wo der Hof zur ersten Häuserreihe hinter den Feldern gehört, fügt er sich stimmig in die Silhouette von Willendorf.
Eigentümer: Stefan Schauer
Planung: Ing. Franz Kinastberger
Autorin: DI Isabella Marboe
Fotos: Romana Fürnkranz
Drohnenaufnahmen: Christoph Bertos