Weingut Schuster

Als jüngste Transformation wurde der jahrelang leerstehende Kuh- und Schweinestall nach einer umfassenden Renovierung in einen Verkostungsraum umgewandelt. Bei der Umgestaltung stand die Erhaltung der historischen Bausubstanz im Vordergrund.
Weingut Schuster Drohne WS 26 GEKAUFT
Weingut Schuster Grossriedenthal WS 4

BESTANDSGERECHT UMGENUTZT | Wenn alte Mauern neue Geschichten erzählen

In einem traditionellen Winzerdorf hat ein ehemaliger Kuh- und Schweinestall eine bemerkenswerte Verwandlung erfahren. Mit viel Liebe zum Detail und handwerklichem Geschick wurde das alte Gebäude zu einem stilvollen Verkostungsraum umgenutzt. Das Weingut der Familie Schuster zeigt beispielhaft, wie bestehenden Strukturen neues Leben verliehen werden kann.

Das Weingut Familie Schuster liegt im Weinbaugebiet Wagram in Großriedenthal. Seit 1772 schreibt das traditionsreiche Familienunternehmen seine Geschichte. Heute führt die junge Generation der Familie den Betrieb. Sie verbindet dabei gekonnt Tradition mit Innovation. Das Erbe ihrer Vorfahren wird nicht nur in der Weinproduktion respektvoll fortgeführt, auch der Winzerhof samt historisch gewachsener Struktur wird mit großer Sorgfalt bewahrt. Die Modernisierung des Betriebs erfolgt mit Bedacht – Anpassungen werden nur dort vorgenommen, wo sie für die Weiterentwicklung notwendig sind.

Bestehende Strukturen wertschätzen
Der Winzerhof ist charakteristisch in die dichte Verbauung des Dorfes eingebettet, die von schmalen Parzellen und geschlossener Hofbebauung geprägt ist. Auf dem schmalen Grundstück reihen sich Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude, Scheunen und Stallgebäude aneinander. Die kleinteilige Struktur, bei der jedes Gebäude seine eigenen Proportionen bewahrt, zeugt von der ursprünglichen Mehrfachnutzung: Neben dem Weinbau wurde hier früher auch Vieh- und Feldwirtschaft betrieben.
Mit der Spezialisierung auf den Weinbau erhielten manche Gebäude bzw. Gebäudeteile neue Funktionen: Das ehemalige Getreidelager am Dachboden wurde zum Büro umgestaltet, der sanierte alte Gewölbekeller dient als Vinothek für gereifte Weine, die frühere Scheune für Landmaschinen wird heute als Carport genutzt. Als jüngste Transformation wurde der jahrelang leer stehende Kuh- und Schweinestall nach einer umfassenden Renovierung in einen Verkostungsraum umgewandelt.

Instandsetzung und Neuinterpretation
Bei der Umgestaltung stand die Erhaltung der historischen Bausubstanz im Vordergrund. Das alte Stallgebäude mit seinen massiven Steinmauern war in einem guten Zustand. Lediglich der Boden samt Futtertrog musste aufgrund des fehlenden Fundaments weichen und durch einen neuen Bodenaufbau ersetzt werden. Der marode Dachstuhl wurde erneuert und frisch eingedeckt, wobei er in ursprünglicher Form und Proportion samt charakteristischem Dachvorsprungs beibehalten blieb.
Die ehemals kleinen Fensteröffnungen, die der früheren Stallnutzung geschuldet waren, wurden im Zuge der Umbauarbeiten großzügig erweitert. Durch die neu geschaffenen Öffnungen gelangt nun natürliches Tageslicht in den Verkostungsraum. Die neue Terrassentür wurde so positioniert, dass sich von innen ein reizvoller Blick auf den alten Nussbaum im Innenhof ergibt. In den warmen Sommermonaten lädt die vorgelagerte Terrasse unter dem schattenspendenden Nussbaum zur Weinverkostung im Freien ein.

Im Inneren des Gebäudes überwiegt Detailverliebtheit und ein behutsamer Umgang mit natürlichen Materialien. Die gesamte Raumgestaltung folgt einem schlichten, reduzierten Konzept. Die Wände des neuen Verkostungsraums wurden mit Lehmputz versehen, die Möblierung in Eichenholz ausgeführt. Ein besonderer Blickfang ist die erhaltene Decke mit ihrem Kappengewölbe. Den Mittelpunkt des Raumes bildet ein großer Verkostungstisch aus Nussholz – gefertigt aus einem Baum des eigenen Hofes. Ein multifunktionales Möbel dient als Raumteiler, der den Verkostungsbereich von den dahinterliegenden Sanitäranlagen trennt. Das Möbel beherbergt eine kleine ausgeklügelte Weinverkostungsbar samt Weinkühlschrank. Für eine angenehme Raumatmosphäre sorgen über den Raum verteilte Akustikelemente aus Holzlamellen mit dahinterliegendem Filz, die dem Verkostungsraum seinen gemütlichen Charakter verleihen.

Nachhaltige Dorfentwicklung
Mit dem wachsenden Betrieb wuchs auch der Bedarf an zusätzlichen Räumlichkeiten. Statt neue Flächen am Ortsrand zu erschließen, entschied sich die junge Winzergeneration bewusst für weitere Standorte im Ortskern – nur wenige Gehminuten vom Weingut entfernt.
Das neue gekühlte Weinlager erhielt einen prominenten Platz in der Ortsmitte, schräg gegenüber vom Gemeindeamt. Es fügt sich mit seiner Lärchenholzfassade harmonisch in das Ortsbild ein. Die Konstruktion besteht aus isolierten Betonwänden, die für optimale Kühlbedingungen im Inneren sorgen. Das schlichte Satteldach wurde mit einer Photovoltaikanlage zur nachhaltigen Energiegewinnung ausgestattet. Direkt vor dem Kühlhaus besteht nun sogar die Möglichkeit, E-Autos zu laden.
Auch der neue Stadl für den Weinbaubetrieb gliedert sich durch seine Lärchenholzfassade selbstverständlich in die dörfliche Struktur ein. Er steht in der zweiten Reihe des Dorfangers – genauer gesagt in einer Hintausstraße, die charakteristisch von Scheunen geprägt ist.

Eigentümer: Thomas und Carina Schuster
Planung: Architekt Laurenz Vogel
Autorin: DI Barbara Calas-Reiberger
Fotos: Wolfgang Spekner