Wirtshaus  s’Hutwisch in Hochneukirchen

Das s’Hutwisch greift vertraute Elemente des traditionellen Wirtshauses bewusst auf: Holzsitzbänke, ein Stammtisch und eine Bar schaffen eine gemütlich-urige Atmosphäre.
Hochneukirchen SHutwisch 10
Hochneukirchen SHutwisch 83

WIRTSHAUS IM HEUTE | Regionalentwicklung am Dach der Welt

Angesichts des fortschreitenden Wirtshaussterbens stellt sich heute zunehmend die Frage: Was kann ein Wirtshaus heute sein, und wie kann es nachhaltig betrieben werden? Im Zentrum von Hochneukirchen zeigt das Wirtshaus s’Hutwisch eindrucksvoll, dass ein Gasthaus damals wie heute mehr sein kann als ein Ort zum Essen und Trinken.

Was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist: Das s’Hutwisch wird nicht traditionell von einer einzelnen Wirtin oder einem einzelnen Wirt geführt, sondern gemeinschaftlich von über 1.400 Anteilseignerinnen und Anteilseignern getragen.

Ein Wirtshaus als Wohnzimmer
Das s’Hutwisch greift vertraute Elemente des traditionellen Wirtshauses bewusst auf: Holzsitzbänke, ein Stammtisch und eine Bar schaffen eine gemütlich-urige Atmosphäre. Viele Einrichtungsgegenstände wie Holzbänke, Tische, Deckenverkleidungen und Vorhangstangen stammen noch aus dem ursprünglichen Wirtshaus. Sie sind hier neu inszeniert – das schafft Vertrautheit und bildet gleichzeitig die Beständigkeit des Wirtshauses als gesellschaftliche Institution im Ort ab. Als zentraler sozialer Treffpunkt begleitet das Wirtshaus als Raum für Feste und Veranstaltungen die Menschen durch alle Lebensphasen und bietet Raum, in dem Einheimische und Gäste der Ortschaft gleichermaßen zusammenkommen. Fehlt ein solcher sozialer Raum in einer Gemeinde, bleiben wenige Möglichkeiten für Gemeinschaft und Austausch. Als die Schließung drohte, wurde die Notbremse gezogen. Es entstand ein zeitgemäßes Konzept, das das Wirtshaus an heutige Bedürfnisse anpasst und gleichzeitig seine Tradition bewahrt.

Bewährtes neu inszenieren
Bei der Umgestaltung wurden bewusst viele vorhandene Einrichtungsgegenstände erhalten und neu in Szene gesetzt. Der zur Hofseite verlegte Eingang belebt nun als Gastgarten in den warmen Monaten diesen zuvor wenig genutzten Bereich. Die Bar, früher mittig platziert, markiert nun klar den Eingangsbereich und verbessert die Orientierung. Verschiedene Sitzbereiche – offen oder abgeschieden, groß oder klein – laden zu unterschiedlichen Formen des Zusammenseins ein. Auf Wunsch der Gäste wurde der Stammtisch wiederbelebt, und der neu gestaltete Saal im Obergeschoß bietet Raum für Feiern und Vereinstreffen. Zudem kooperiert das Wirtshaus eng mit örtlichen Einrichtungen wie Schule, Kindergarten und sozialen Institutionen. So entstand ein lebendiger, vielseitiger Treffpunkt für Bewohnerinnen und Bewohner und Gäste, darunter auch Wandernde und Radfahrende.

Wirtshaus in Anteilen
Das s’Hutwisch begegnet dem Wirtshaussterben mit einem innovativen Modell: einer Genossenschaft, bei der alle Interessierten Anteile erwerben können. So stehen die notwendigen finanziellen Mittel für die nachhaltige Neukonzeption und Umgestaltung des Wirtshauses s’Hutwisch bereit. Dieses für ein Wirtshaus neuartige Genossenschaftsmodell findet Unterstützung weit über die Region hinaus – Anteilseignerinnen und Anteilseigner kommen auch aus anderen Bundesländern und sogar aus dem Ausland. Im Vorstand der Genossenschaft engagieren sich zehn Personen ehrenamtlich, die aus den unterschiedlichsten Bereichen stammen, darunter Gastronomie, Tourismus, Gemeindeverwaltung, Bankwesen und Marketing. Sie übernehmen die Organisation und den Betrieb des Wirtshauses. Die Anteilseignerinnen und Anteilseigner selbst haben keine operativen Aufgaben, werden aber einmal jährlich zur Generalversammlung eingeladen.

Mut zum eigenen Konzept
Anfangs begegneten viele Einheimische dem ungewöhnlichen Konzept verständlicherweise skeptisch. Doch das stetig wachsende Vertrauen in das Konzept sorgte zunehmend für Akzeptanz im Ort. Das s’Hutwisch etablierte sich als lebendiger Mittelpunkt des Ortes. Elisabeth Kager vom s’Hutwisch-Team beschreibt diese Entwicklung folgendermaßen: „Es erkundigen sich viele Leute, wie es uns geht. Wichtig für das Funktionieren unseres Wirtshauses ist, dass es wirklich nachhaltig ist und wir eine Kontinuität in unserem Tun haben: mit einem andauernden Veranstaltungsprogramm, kontinuierlichen Öffnungszeiten und einer einladenden Speisekarte.“ Aus der visionären Idee, wie ein Wirtshaus heute funktionieren kann, ist Realität geworden. Die Anteilseignerinnen und Anteilseigner zeigen durch regelmäßige Nachfragen nach dem Befinden „ihres“ Wirtshauses eine bemerkenswerte Verbundenheit.

Ein Vorbild zur Inspiration
Das Konzept aus Hochneukirchen kann nicht eins zu eins auf andere Gemeinden übertragen werden. Jede Gemeinde muss ihr eigenes Konzept entwickeln und umsetzen, das auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmt ist und von allen Beteiligten getragen wird. Dennoch liefert das ehrenamtliche Genossenschaftsmodell wichtige Impulse und Anregungen für ähnliche Projekte andernorts. Seit nunmehr fast eineinhalb Jahren hat das Wirtshaus s’Hutwisch geöffnet. Gabriela Diewald vom s’Hutwisch-Team fasst die Bedeutung des neuen Modells zusammen: „Wir brennen für unser Wirtshaus und haben endlich wieder einen Ort, an dem wir zusammenkommen können. Unser Modell stellt bewusst eine Alternative zur traditionellen Betriebsform eines Wirtshauses dar.“ Denn es ist ein Wirtshaus für alle – ohne eine einzelne Wirtin oder eine einzelnen Wirt, vielmehr mit vielen Beteiligten. Das s’Hutwisch steht heute für Gemeinschaft, Engagement und Innovation – ein inspirierendes Vorbild für Gemeinden, die soziale Begegnungsorte nicht nur bewahren, sondern kreativ und leidenschaftlich weiterentwickeln möchten.

Eigentümer: Hutwisch Regionalentwicklung eGen
Planung: Baumeister Johannes Gutstein
Autorin: DI Alexandra Ullmann
Fotos: Wolfgang Spekner