SCHLOSS LEHENHOF

Bauherr des Landsitzes in Neustift bei Scheibbs, dessen Bauzeit bei Dehio auf 1835–1840 datiert wird, war Moriz Graf Almásy (1808–1881).
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Ein sanfter Hügel, ein Park voll alter Bäume und mitten in der Idylle ein symmetrischer Baukörper von repräsentativem Wesen, Schloss Lehenhof genannt.

Bauherr des Landsitzes in Neustift bei Scheibbs, dessen Bauzeit bei Dehio auf 1835–1840 datiert wird, war Moriz Graf Almásy (1808–1881). Die Erklärung, warum er sich gerade im Erlauftal niederließ, liefert Johann Schagerl, Stadtarchivar von Scheibbs: In Folge der Auflösung der Kartause Gaming 1782 im Zuge der josephinischen Reformen erwarb 1825 Albert Graf Festetics de Tolna die Kartause samt Gründen, zu denen auch der „Lehenhof“ gehörte, der bereits 1367 in einem Urbar erwähnt ist. Und eben jenen stellte Festetics seinem Schwiegersohn Moriz Almásy zwecks Errichtung einer Residenz, die auch Villa Almásy genannt wurde, zur Verfügung. Dessen Tochter wiederum, Wilhelmine (1845–1890), schon zu Lebzeiten anerkannte Lyrikerin, und ihr Gemahl, der Schriftsteller Albrecht von Wickenburg (1838–1911), nutzten das Anwesen als Sommersitz. Fortan Genius Loci und Heimstatt für Kunstschaffende, sollte sich Schloss Lehenhof im 20. Jahrhundert ein weiteres Mal als Hort der Musen profilieren. Ab 1880 lag seine Besitzgeschichte in wechselnden Händen, so auch in jenen von Otmar Baron Ettingshausen. 1913 berichtete das Magazin „Sport und Salon“ von der Übernahme durch Annie[bel] Freifrau von Leiterberger. Es folgten Jahrzehnte im Eigentum der Stadt Wien und seit 2021 machen sich zwei Unternehmer mit biografischem Bezug zur Region zur Aufgabe, eine nachhaltige Nutzung zu konzipieren, die möglichst Vielen zugute kommt.

Im Eintrag auf burgen-austria.com wird Schloss Lehenhofen als hufeisenförmige Anlage mit Walmdach beschrieben, „deren Ehrenhof zur Bergseite hin geöffnet ist. […] Die zweigeschoßige Hauptfassade im Westen ist talwärts gerichtet. Sie ist neunachsig, wobei auf den Mittelrisalit drei Fensterachsen entfallen.“ Diese Schauseite, an der Reliefs mit Putten, die musizieren bzw. spielen, als Schmuck dienen, besaß bis 1965 einen auf Pfeilern ruhenden Balkon. Diese Hauptfront war unter Ettingshausen im Stil des Neoklassizismus adaptiert worden. Das Charisma des Gebäudes wirkt bis heute ungebrochen, wiewohl die jahrzehntelange Nutzung als Erholungsheim für Kinder im Inneren ihre Spuren in der Raumstruktur hinterlassen hat. Die Stadt Wien hatte es 1939 erworben und in Folge entstand auch der hügelabwärts gelegene Kindergartenpavillon, der in seiner kubischen Schlichtheit die architektonische Handschrift der Bauherrin trägt. Etwas unterhalb liegt der historische zweigeschoßige Wirtschaftshof bei der Gärtnerei, der daran erinnert, dass hier bis in die 1930er Jahre ein landwirtschaftlicher Betrieb geführt wurde und sich mit den 18 Hektar Wald, die zur Besitzung gehören, auch künftig als solcher nutzen ließe.

Von der früheren Eleganz des Schlosses zeugen im Inneren besonders die Keramiköfen auf beiden Etagen. Seine Glanzzeit erlebte der Ort unter Familie Thonet, berühmt für ihre Bugholzmöbel, die es ab 1925 nach Verlust ihres Besitzes im mährischen Bistritz als Pächter bezogen. Andreas Maleta hat in seiner sehr zu empfehlenden Publikation „Das blaue Klavier“ dem regen Kulturleben von Martha und Victor Thonet in Neustift ausgiebig Raum gegeben. Das Anwesen wurde nicht nur mit Sternparkett und edlen Möbeln ausgestattet, sondern beherbergte auch im Musikzimmer die erlesene Sammlung von Bildern Josef Maria Auchentallers. Maleta zitiert den Eintrag von Jakob Thonet in das Gästebuch seines Sohnes: „Alles war sehr schön geworden, / in dem Schloss am Erlauffluss. / Alles war wie auserlesen für ästhetischen Genuss. // Wir wiegen höher an Gewicht, /nur die Fische bissen nicht!“ Dabei, möchte man meinen, könnten sich Fische in einem Territorium, durch das eine Reserveleitung des Wiener Hochquellwassers fließt, nur so tümmeln!

Dass vor hundert Jahren die Lokalbahn direkt vor Schloss Lehenhof hielt, ist Teil der Geschichte dieses gastlichen Hauses. Thonets Bemühungen, Lehenhof als Pension zu führen, waren nur bedingt erfolgreich, aus wirtschaftlichen Gründen verließ 1938 die Familie die Scheibbser Gegend in Richtung Salzkammergut. In den darauffolgenden Jahrzehnten beherbergte das Haus bis 2001 ganze Generationen an Kindern für Ferienaufenthalte, begünstigt durch die nahen Sportanlagen, und die soziale Dimension des Orts wurde durch die temporäre Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge auch unter den heutigen Besitzern fortgeführt. Gerhard Aigner und Gerhard Buchinger samt Familien blicken guten Mutes in die Zukunft:

„Nun geht es darum, dem Schloss Lehenhof einen neuen guten Geist einzuhauchen. Möge das Ziel erreicht werden, eine Nutzung festzulegen, die den Bewohnern nachhaltig dient. Wir freuen uns, dieses anspruchsvolle Projekt mit unseren Freunden, Partnern und Familien mitentwickeln zu dürfen. In der jetzigen Phase können noch Nutzungsvorschläge eingebracht und berücksichtigt werden. Gemäß dem Motto: Wir hören schon des Lehenhofs Getümmel, / hier ist des Volkes wahrer Himmel. / Es jauchzet Groß, es jauchzet Klein, / hier bin ich Mensch, hier möcht‘ ich sein.“

Autorin: Dr. Theresia Hauenfels
Fotos:     Romana Fürnkranz
Drohnenfotos: Christoph Bertos