Replik Offen? Geschlossen! Ein Diskurs über die künftig gewünschte Bauweise am Land Arch.DI Dr. Erich Raith Dieser Artikel hat einen konkreten Anlass. Einen, der mich freut, zeigt er doch, wie kritisch Artikel zum ema Baukultur gelesen werden und wie groß das Interesse an einer sinnvollen Gestaltung unserer Lebensräume ist. In meiner Beitragsreihe „Bauen, und zwar lebensecht“ war in Ausgabe Nr. 139 von den Vorteilen einer geschlossenen Bauweise zu lesen. Diese hier alle nochmals anzuführen, würde den Rahmen sprengen. Unter Experten gibt es offenbar weitgehend Konsens darüber, dass kompakt verdichtete Bauweisen in der Regel wirtschalicher, ökologisch sinnvoller, energetisch effizienter und auch sozialräumlich nachhaltiger sind, als Bauweisen, die zu flächig ausgedünnter Zersiedelung führen. Kompakte Siedlungsstrukturen schließen genau aus diesen Gründen an die bewährten Bautraditionen weiter Teile Niederösterreichs (Straßen- dörfer, Angerdörfer etc.) an. Vor diesem fachlichen Hintergrund habe ich die Frage gestellt, warum trotzdem so viele Menschen zum Bau freistehender Einfamilienhäuser tendieren und versucht, eine Erklärung darin zu finden, dass freistehende Häuser in der europäischen Architekturgeschichte immer privilegierte und besonders prestigeträchtige Bauformen waren. Ganz anders sieht dies ein Leser – wohl aufgrund tatsächlich schlechter Erfahrungen. Hier ein Auszug aus dem Leserbrief: Auszug aus dem Leserbrief: „Die geschlossene Bauweise wird heute eine Reihenhaussiedlung sein, deren Häuser nicht individuell gebaut, sondern von gewinnorientierten Gesellschaen schnell und billig aufgezogen werden. Ergebnis: Ein „Garten“ mit 50 m², der einem Gefängnishof gleicht. Dadurch kommt es zu einer massiven Versiegelung der Böden, da praktisch keine Grünflächen mehr vorgesehen sind. Eine niedrige Qualität des Hauses - die Schalldämmung so schlecht, dass es unweigerlich zu Konflikten mit den Nachbarn kommen muss, selbst wenn man ein ruhiges Leben führt. Die Statik teilweise so mies, dass man nicht einmal eine Waschmaschine in den ersten Stock stellen darf. Kurz gesagt, gebaut so, dass es gerade noch den Gesetzen entspricht. Das kau man nur, wenn´s wirklich nicht anders geht und nicht aus Prestige- 54 GESTALTE(N) gewinn. Ich kenne eigentlich überhaupt niemanden, der aus Prestigege- winn ein Haus gebaut hat!!!! Unter diesen derzeitigen Voraussetzungen ist es lobenswert, dass viele Gemeinden versuchen, die Reihenhaussiedlungen zu verhindern und eine offene Bauweise fördern. Meine Aussage: Nur dann, wenn eine der offenen Bauweise gleichwertige Grünfläche gegen- übersteht, ist die geschlossene Bauweise zu bevorzugen, und das ist nur bei einzelnen Vorzeigeprojekten der Fall.“ Ich glaube, dass hier einige – vielleicht sogar weit verbreitete – Missver- ständnisse bestehen, die aufgeklärt werden sollten: Eine Verständigung auf eine verdichtete Bauweise beinhaltet noch keinerlei Aussagen darüber, ob individuell, gewinnorientiert, schnell, langsam, billig oder luxuriös gebaut wird. Schon ein Blick auf die tradi- tionellen Dorf- und Stadtstrukturen des Landes belegt eindrucksvoll, welche Qualitäten und welche architektonische Vielfalt durch eine geschlossene Bauweise ermöglicht werden. Eine geschlossene Bauweise bedeutet natürlich auch nicht, dass Gärten 50 m2 groß, versiegelt und ohne Grün sein müssen. Die Größe von Freiflächen, deren Nutzung und Gestaltung, hängen nicht unmittelbar mit der Bauweise zusammen. Auf geschlossen bebauten Streifenparzellen kann es sehr viel großzügigere Freiräume geben als in den meisten Siedlungen, die auf kleinen Parzellen freistehende Einfamilienhäuser vorsehen, da seitliche Abstandsflächen zu Gunsten besser proportionierter und daher auch besser nutzbarer Hof- oder Gartenflächen entfallen. Auch die Qualitäten des Schallschutzes oder der Konstruktion eines Hauses haben ursächlich nichts mit der Bauweise zu tun. Jedes Haus kann man im Rahmen der Gesetze besser oder schlechter bauen. Die ökonomischen Vorteile der geschlossenen Bauweise sollten es jedenfalls erleichtern, mehr Geld in bautechnische und architektonische Qualitäten investieren zu können. In diesem Sinn kann ich nur empfehlen, die Vor- und Nachteile ver- schiedener Bauweisen und Haustypen mit kühlem Kopf möglichst um- fassend zu vergleichen. Es geht ja nicht nur um die Gebäude und Gärten, sondern auch um Aspekte der langfristigen Leistbarkeit, der Entwick- lungsfähigkeit, der Nutzbarkeit für folgende Generationen, um Fragen der Mobilität, der Alltagsgestaltung und um gute Voraussetzungen für nachbarschalich funktionierende Gemeinschaen. Ich bin sicher, dass sich gerade auf Grund knapper und teurer werden- der Ressourcen zwangsläufig wieder verdichtete Bauweisen durchsetzen werden, die auch wieder zu qualitätsvolleren öffentlichen Räumen und zu komplexeren, für alle Generationen lebensgerechteren Alltags- szenarien führen werden. *