LEBEN UND KUNST – Am rauschenden Fluss

Ein paar Kilometer von Raabs an der Thaya entfernt, liegt die Ortschaft Eibenstein und dort, nicht weit von der Ansiedlung Kollmitzgraben und den Resten der einst mächtigen Festung Kollmitz, kann man ein „verwunschenes“ Anwesen über einen malerischen Wanderpfad, der der einsamen Lage des Domizils angemessen ist, erreichen.

LEBEN UND KUNST – Am rauschenden Fluss

Ein paar Kilometer von Raabs an der Thaya entfernt, liegt die Ortschaft Eibenstein und dort, nicht weit von der Ansiedlung Kollmitzgraben und den Resten der einst mächtigen Festung Kollmitz, kann man ein „verwunschenes“ Anwesen über einen malerischen Wanderpfad, der der einsamen Lage des Domizils angemessen ist, erreichen. Es ist ein schmaler Steig hoch über der Thaya – zu Beginn teilweise felsig, später im schattigen Steilabhang mit Bachquerungen – schlängelt er sich bis zur Zufahrtsstraße, die zur Unterpfinnigsteigmühle führt.

Überraschende Lichtung
Der Enge des Waldes entronnen öffnet sich dann am Ende der Straße die Landschaft. Vor dem mit stattlichen Aubäumen gesäumten Fluss wird man von der Mühle, ein in seinen Grundzügen 1350 erbautes, eindrucksvolles Gebäude, empfangen. Mit seiner gelb-weiß strukturierten Fassade und dem großen Portal, welches das Hauptgebäude mit dem Seitentrakt verbindet, erinnert es im ersten Moment mehr an ein Palais, als an ein landwirtschaftliches Nutzgebäude.
Beim Eintreten fällt einem gleich in einer Nische über dem Eingang die Statue des Heiligen Florian auf. Welche Bewandtnis es mit dem einstigen römischen Beamten, der hier zugleich als Namenspatron und Schutzheiliger auftritt, eigentlich hat? – Der Legende nach wurde er von seinen Peinigern mit einem Mühlstein um den Hals in die Enns geworfen. Seine Symbolkraft soll heute Haus und Bewohner vor den Unbilden des Wassers bewahren.

Die wilde Thaya
An Tagen wie heute bietet dieses Gewässer ein ganz und gar ruhiges, friedliches Bild. Doch die aus annähernd 600 Quellbächen gespeiste Thaya kann auch ganz andere Saiten anschlagen. Dann verwandelt sie sich innerhalb weniger Stunden in eine wütende Furie, leitet sich doch ihr Name vom illyrischen Wort „Dujas“ = rauschender Fluss ab. Das war für die einstige Grenze zwischen Babenbergerreich und den böhmischen Ländern durchaus vorteilhaft. Wer aber heute in ihrer direkten Umgebung lebt, sollte gehörigen Respekt mitbringen und sich des steten Risikos bewusst sein.
Seit Florian Schaumberger und Elisabeth Ruckser die Mühle bewohnen, ist das Gebäude schon mehrfach von extremen Hochwasserereignissen bedroht worden. „2006 war es ganz schlimm. Zu unser aller Glück wachte ich in den frühen Morgenstunden durch ein merkwürdiges Geräusch auf. Das in kurzen Abständen wiederkehrende dumpfe Klopfen stammte, wie sich nachher herausstellte, von einem ufernah vertäuten Boot, das gegen einen Baum schlug. Zu diesem Zeitpunkt stand das Erdgeschoß der Mühle bereits einen halben Meter hoch unter Wasser – unser Wohnzimmer lag so zusagen mitten im Fluss. Zweimal mussten wir das Haus schon wegen massiven Hochwasserschäden totalrenovieren, ein drittes Mal wird schwierig!“

Liebe auf den ersten Blick
Wieso aber lebt man hier, wenn es doch eine schöne, vor Wassereinbrüchen sichere und komfortable, Stadtwohnung gibt? Ganz einfach, Haus und Anwesen sind schon seit über einem halben Jahrhundert im Familienbesitz. Florian Schaumbergers Mutter entdeckte das damals leer stehende und heruntergekommene Gebäude bei einer Campingtour, und war gleich ganz hin und weg. Später kam sie regelmäßig wieder, bis es ihr schließlich gelang das
barocke Baujuwel mit den gotischen Wurzeln zu erwerben, was gar nicht so einfach war. Nach und nach wurden dann die Gebäudeteile so weit repariert, dass die Mühle als Freizeitdomizil genutzt werden konnte. Rückblickend erinnert sich Florian Schaumberger gerne an viele unbeschwerte Kindertage, die er hier ab-
seits der Großstadt in der natürlichen Umgebung verbrachte. Strom und Fließwasser – abgesehen von der Thaya – gab es jedoch bis weit ins neue Jahrtausend nicht. Diese uns so selbstverständlichen Annehmlichkeiten ließen die heutigen Besitzer erst nach dem großen Hochwasser von 2006 einleiten, als ohnehin eine völlige Erneuerung angesagt war. Davor machte man es  sich abends bei Petroleumlicht bequem, schöpfte das benötigte Wasser aus dem Brunnen und heizte mit dem ringsum reichlich vorhandenen Holz die Kachelöfen.
Sieht man sich heute in dem mit viel Liebe, Stilgefühl und Geschmack eingerichteten Haus um, so entdeckt man abgesehen von Florian Schaumbergers Plastiken so manches Kunstwerk aus der Hand oder Sammlung seines Vaters, des Grafikers Schaumberger Senior. Neben Fischereiszenen und Stilleben
finden sich aber auch exotische Artefakte wie z.B. eine Samurai-Rüstung oder der skurrile an der Küchendecke angebrachte Wurstkranz. Eine Dekoration, die Vater Schaumberger von einem Antiquitätenhändler erworben hat.

Eisen, Äpfel und Brot
Des regelmäßigen Pendelns müde geworden, beschlossen die Schaumbergers 2009 nach dem Umbau die Mühle zu ihrem Hauptwohnsitz zu machen. Mit ein Grund dafür ist auch die künstlerische Arbeit des Eigentümers, der sich nach dem Studium bei Professor Joannis Avramidis an der Wiener Akademie der Bildenden Künste als Bildhauer der Metallskulptur verschrieben hat. Seit 1992 setzt er sich intensiv mit Großplastik im öffentlichen Raum auseinander und hat an zahlreichen Wettbewerben und Ausstellungen teilgenommen. Eine gut ausgestattete Metallwerkstatt und großformatige Kunstwerke brauchen aber viel
Platz. Den gibt es hier in Hülle und Fülle und so hat sich der Künstler vor einigen Jahren in einem nahe der Mühle gelegenen Stadl ein ansehnliches Atelier eingerichtet.
Elisabeth Ruckser ist Journalistin und beschäftigt sich beruflich schon seit Jahren mit dem Thema hochwertige Lebensmittel. Außer ihrer Autorentätigkeit unterstützt sie ihren Mann beim Betrieb der kleinen Bio-Landwirtschaft mit Naturschutzwiesen und Apfelbäumen: „Man kommt oft erst drauf, wie viel
Arbeit, Einsatz und Begeisterung in einem Laib Brot oder einem selbst gezogenen Salat steckt, wenn man einmal versucht hat, etwas selbst anzubauen oder herzustellen“, sagt sie. Im nahegelegenen Drosendorf vermittelt sie in ihrer eigenen Bio-Brotbackschule worauf es bei gutem Brot ankommt und wie man es
macht.

Trotz all der Reize von Natur, Architektur, Kunst und feiner Lebensart, wollen wir abschließend wissen ob es in und um die Mühle manchmal recht einschichtig ist. Florian Schaumberger zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt und Elisabeth Ruckser, die anfangs der kalten Jahreszeit mit gemischten Gefühlen
entgegensah, meint heute: „Ich habe meine frühere Skepsis längst aufgegeben. Die Sommer hier sind wie Feste und selbst die Winter viel schöner als in der Stadt.“