Erneuerung statt Zersiedelung

Revitalisierung eines 300 Jahre alten Stadthauses in Krems

Erneuerung statt Zersiedelung

„Geschlichtet und geschichtet“ zieht sich als Motto durch ein Planungsprojekt, bei dem das Architektenehepaar Leuthner ein dreihundert Jahre altes Wohngebäude mitten im Altstadtkern von Krems revitalisiert und auf den neuesten Stand gebracht hat.

Interessant ist dabei vor allem wie es gelungen ist, durch ein intelligentes Sanierungs- und Verdichtungskonzept
– auf gegebener Fläche mehr Wohnraum zu schaffen,
– die Qualität dieser Wohnungen zu verbessern,
– das historische Gebäude energetisch auf den neuesten Stand zu bringen und zugleich
– ein infrastrukturell hervorragend angeschlossenes und äußerst behagliches Wohnensemble zu entwickeln, das seine Ausstrahlung durch einen überzeugenden Mix aus Alt und Neu bezieht.

Auf der Suche nach einem Eigenheim
Eigentlich hatte das Architektenehepaar lediglich für sich selbst ein Wohnhaus in Krems gesucht. Das Objekt, das nach vier Jahren intensiver Suche ihren Vorstellungen entsprach, war jedoch für sie alleine viel zu groß. So beschlossen sie nach langen Überlegungen, sowohl Bauherr als auch Bauträger zu werden, das gesamte Haus zu sanieren, zu unterteilen und zwei Wohneinheiten hinterher zu verkaufen. Dabei wollten sie sich nicht mit kleinen Adaptierungsarbeiten begnügen und gingen dem historischen Objekt, das einst ein Winzerhaus mit Heurigenlokal war, nach allen Regeln und Standards der heutigen Zeit zu Leibe.

Licht und Ausblick
Das bedeutete vor allem: Wohnkultur, viel Licht, Balkon oder Terrasse für jede Wohneinheit. Eine Licht- und Wärmeführung, die allen Bereichen auch bei trübem Herbstwetter viel Licht einträgt, ohne dass es im Sommer zu heiß wird. Zunächst aber war zu verdichten, also den gegebenen Raum intensiver zu nutzen. Das wurde beispielsweise durch die Anhebung der Dachneigung von 45° auf 47° erreicht – schon ließ sich eine weitere Wohnung realisieren. Das Licht kommt durch große Fensterfronten, die im Dachbereich nicht nur vertikal angelegt sind, sondern auch die Dachschrägen nutzen. Nächtliche Kühlung
Um die Wohnbereiche bei hochsommerlichen Temperaturen vor zu großer Erwärmung zu schützen, hat man auf moderne Technik gesetzt – mit Fenstern, die sich nachts öffnen, um die aufgewärmte Speichermasse zu kühlen, und mit Markisetten, die automatisch Schatten spenden, wenn es draußen zu heiß wird. Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung findet sich hier ebenso wie die konventionelle manuelle Lüftung im unteren Wohnbereich. Beheizt wird alles über Fußbodenheizung. Auf dem Dach sorgen 25 m² Sonnenkollektoren für die Erhitzung von 2000 l Pufferspeicher, ausreichend für den Heißwasserbedarf in allen Wohnungen. Das Dachgeschoss erfüllt Niedrigstenergiestandard. Was an Wärme noch zugeführt werden muss, liefert ein Gas-Brennwertgerät. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass die Fenster und bestimmte Außenwände ebenfalls energetisch optimiert wurden.

Die Ablesbarkeit von Alt und Neu
Allein die Technik ist aber nicht alles. Bei einem Haus mit so langer Geschichte setzt eine Neuadaptierung viel Geschmack, Augenmaß und Fingerspitzengefühl voraus. Das äußert sich darin, dass man allen historischen Bereichen ein Daseinsrecht gelassen hat. Auf der Außenseite kann man das sogar ablesen: Was neu hinzugefügt worden ist, ist in Schwarz ausgeführt. Auf diese Weise wirken nicht einmal die Sonnenkollektoren als störend, denn sie sind ja in gleicher Weise als moderne Ergänzung markiert. Historisches wurde aber auch bewusst inszeniert, so zum Beispiel der alte Kaminzug.

Nutzung des Vorhandenen
Im Ganzen ist es ein Wohnhaus geworden, das in technischer Hinsicht nach dreihundert Jahren „zu Ende gedacht“ wurde, wobei sich der planerische und bauliche Aufwand leicht mit dem eines Neubaus messen lassen kann. Ästhetisch aber ist es weit mehr, nämlich ein modernes Wohnambiente auf der Grundlage des überkommenen Baubestands, der man hier sehr gekonnt zu einem neuen Leben verholfen hat. Damit gibt dieses Bauprojekt ein wichtiges Beispiel, denn die Nutzung des Vorhandenen wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Eigentümer: Christine und Franz Leuthner

Entwurf / Planung: a-lp architektur