ATELIER IM HEUSTADT – Waldviertler Bauerhaus

Ein altes Bauernhaus im nördlichen Waldviertel wurde zum Refugium für ein Wiener Architektenpaar, das sich beruflich hauptsächlich mit Bauen im Bestand und den damit verbundenen Besonderheiten beschäftigt.

ATELIER IM HEUSTADL | Ruhepol und Abstand vom Stadtleben

Ein altes Bauernhaus im nördlichen Waldviertel wurde zum Refugium für ein Wiener Architektenpaar, das sich beruflich hauptsächlich mit Bauen im Bestand und den damit verbundenen Besonderheiten beschäftigt.

Der Umbau alter Landhäuser ist ein Thema, das einerseits fasziniert, andererseits aber viel Sachkenntnis und Phantasie in Puncto Planung verlangt. Gilt es doch die Häuser auf einen zeitgenössischen Stand zu heben, dabei aber den ursprünglichen Charakter bestehen zu lassen. Dieses alte Bauernhaus am so genannten Sternberg verbindet beide Ansprüche in vorbildlicher Weise. Es liegt in Österreichs nördlichster Gemeinde Haugschlag, unweit der Grenze zur Tschechischen Republik. Eine weitgehend naturbelassene Region, die von großflächigen Wald, Acker- und Weidelandschaften geprägt ist, garniert mit oft sagenumwobenen Granitblöcken in den ungewöhnlichsten Formen.
Erstmals 1881 urkundlich erwähnt, handelt es sich um einen traditionellen Zweiseithof, bestehend aus Wohn- und Wirtschaftstrakt. Der Hof ist wie hier üblich beidseitig mit Mauern geschlossen. Gartenseitig schließt an den ehemaligen Stadl ein aus Holz gebauter Wintergarten bzw. eine Art Salettl an.

Auf den Spuren der Vergangenheit
Nach vielen Eigentümerwechseln wurde das Haus 1975 vom Vater des heutigen Inhabers erworben, für den von Anfang an feststand, dass die alte Substanz des Gebäudes erhalten werden sollte. Ein Gedanke der damals noch kaum verbreitet war. Sorgsam wurde mit dem alten Material, zum Beispiel den alten Mauern, umgegangen. Hier wurde nichts begradigt, sondern die Oberflächen sind bewusst in einem ursprünglichen Zustand gehalten, um die Geschichte des Gebäudes zu betonen.
Zu den zeittypischen Merkmalen gehören die bis heute erhaltenen und sorgfältig in Stand gesetzten Kastenfenster ebenso, wie etwa im Gebäudeinneren die Schiffböden aus über 20 cm breiten handgeschlagenen Brettern und die originalen Türen. Die Wohnfläche betrug damals etwa 60 m2, außerdem gab es noch den durch einen Innenhof vom Hauptgebäude getrennten Stadl mit Kuh-, Schwein- und Hühnerkobeln. 1980 wurde der Dachboden des Hauptgebäudes ausgebaut und somit die Wohnfläche auf 100 m2 ausgeweitet. Für einen Stall war im von nun an als Wochenend- und Ferienhaus genutzten Objekt kein Bedarf mehr, und so enstanden daraus eine geräumige Werkstatt. Wirft man heute einen Blick in diese, so kann man darin nebst allerhand Gerätschaften und Werkzeugen zur Holz- und Metallbearbeitung auch von Florian Macke geschaffene imposante Metallskulpturen entdecken. Meist sind es Stilzitate von klassischen Sitzmöbeln mit einem Schuss Ironie. Ihre großen Pendants bevölkern den zum Haus gehörenden Garten, versehen dort ihren Dienst als stumme Wächter oder laden zum Innehalten und den Ausblick genießen ein.

Haus des Handwerks
Zur Geschichte des Hauses gehören neben einer illustren Besitzerschar, in die sich Kleinhäusler, Nebenerwerbsbauern, Taglöhner und kleine Handwerker ebenso wie Musiker und Soldaten einreihen, auch die jahrzehntelange Nutzung als handwerkliche Produktionsstätte. Zählte doch die Textilindustrie einst zu den Lebensadern des Waldviertels und noch bis in die neuere Zeit wurden hier Textilien im Zusammenspiel zwischen Heim- und Fabrikarbeit gefertigt. Jedenfalls klapperten und surrten um 1900 im Haus die Spinnräder der Lohnarbeiterinnen und in allen Räumen duckten sich Webstühle unter den niedrigen Decken. Aber werfen wir einen Blick in das Innere dieses pittoresken Gebäudes, wie es sich heute präsentiert. Vom Vorraum aus betritt man den über Hofniveau gelegenen Wohnbereich im Altbau. Nach der Umgestaltung entstand hier eine gemütliche Einheit mit Küchenecke neben dem Eingang und großem runden Tisch an der Fensterseite. Statt einer trennenden Wand gibt es jetzt eine rechteckige Insel, die beide funktionalen Bereiche verbindet und wo sich ursprünglich ein zum Hof gewandtes Fenster befand, ist nun eine Türe, durch die man auf eine kleine feine, den Keller überbauende Terrasse gelangt.
Alt und neu bilden ein harmonisches Ganzes und die an heutige Bedürfnisse angepasste Infrastruktur fügt sich wunderbar in das traditionelle Ambiente. Nächst der Eingangstüre der so genanne Sparherd zum Kochen und Heizen – ohne ihn wäre ein Waldviertler Bauernhaus nicht komplett. Hier und da zitieren Schmuckteller an der Wand, das eine oder andere Bild im naiven Stil oder ein bemalter Bauernschrank die Vergangenheit.

Die Zukunft hält Einzug
Als Architekten ist das Duo allmermacke auf Dachausbauten, Zubauten und Umbauten jeglicher Art spezialisiert und ihr eigenes Haus kann man in dieser Hinsicht durchaus zu den Referenzobjekten zählen. So entstand im Dachgeschoß des ehemaligen Stadltrakts ihr neuer lichtdurchfluteter Arbeitsbereich, der in seiner Formensprache ein wenig an moderne Sakralarchitektur erinnert. Die Konstruktion unter dem hoch emporragenden Giebel kommt ganz ohne Zwischenwände aus und bezieht das Tragwerk in die optische Gestaltung mit ein. Wer diesen vom Werkstoff Holz geprägten hallenartigen Raum betritt, wird sofort von dessen Atmosphäre eingenommen. Auf der zum Wald gewandten Seite fallen Lichtpunkte durch verglaste Luken in das Innere und zum Garten hin öffnet sich der Raum durch eine großzügige Glasfront, die den Blick auf ein herrliches Panorama frei gibt.

Aufs Wesentliche reduziert
Wie komfortabel ist heute ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten wurde und welcher Kompromisse bzw. Verbesserungen bedarf es? Es existiert hier kein Anschluss an die Wasserleitung und den Kanal und die Hauseigner betreiben Abfallkreislaufwirtschaft. Im Garten gibt es einen Schwimmteich mit angeschlossenem Speicherreservoir. Im Atelier und in der Küche verbreiten klassische Holzöfen ihre angenehm knisternde Wärme – an Brennmaterial herrscht schließlich in der Umgebung kein Mangel. Als Zugeständnis an zeitgemäße Wohnbedürfnisse erhielt das Badezimmer eine elektrische Fußbodenheizung, deren Strombedarf demnächst über eine Photovoltaikanlage gedeckt werden wird. Überschussstrom wird dann ins Netz eingespeist. Florian Macke resümiert: „Mittlerweile verbringen wir mehr Zeit im Waldviertel als in Wien. In Zeiten der Pandemie haben wir die Abgeschiedenheit am Land besonders zu schätzen gelernt und haben die Erfahrung gemacht, dass wir hier genauso gut arbeiten können wie in der Stadt. Mit den meisten „Hiesigen“ kommt man als „Zuagraster“ gut aus und wenn nicht gerade eine lärmende Land- oder Forstmaschine in der Nähe ist, hat man hier die absolute Ruhe.“
(https://www.allmermacke.at/atelier-im-heustadl)