Aus dem Schlaf geküsst

Sanierung des Friseurhäuschens in Eichgraben

Aus dem Schlaf geküsst

„Friseure haben wenig Geld“, meint der Besitzer. „Deshalb wurde an dem Haus nichts gemacht.“ Zum Glück, denn dadurch wurden schlimme Bausünden vermieden. Das Ergebnis: ein Haus wie von 1907, aber alles tipptopp.

Das Schöndorferhaus kennt in Eichgraben jeder. Es beherbergte von 1907 bis weit in die siebziger Jahre den örtlichen Friseur. Generationen von Menschen gingen durch die Tür ins Erdgeschoß, um sich die Haare schneiden zu lassen.

Von der Eisgrube zum Friseur
Errichtet wurde es 1896, aber auch dafür lohnt es sich, etwas auszuholen. Eichgraben bekam 1890 eine Haltestelle auf der Postlinie. Natürlich brauchte es dann auch ein Gasthaus, und die hieß, wie auch sonst, „Zur Post“. Das Wirtsgebäude benötigte auch eine Eisgrube, und damit beginnt 1896 die Geschichte dieses Hauses. 1907 wurde das Gasthaus ausgebaut und die Eisgrube zum Wohn- und Geschäftshaus umgebaut. Der Friseur Schöndorfer nahm seine Arbeit auf. Die Jahre zogen ins Land, an dem Haus wurde praktisch nichts verändert. Seine Jugendstilfassade wurde nicht hinter Eternitplatten versteckt, das Dach blieb, wie es war. Auch die Wasserleitung kam nicht sehr weit hinein in das kleine Häuschen mit 76 m2 Nutzfläche auf einer Etage.

Zeitblase entdeckt
Die einzige größere Veränderung war der Ziegelaufbau von 1907, der aus der steingemauerten Eisgrube ein richtiges Haus werden ließ. Sonst passierte nichts. Irgendwann verschwand der Friseursalon, um 2008 wurde es von den damaligen Besitzern verkauft. Die Zwillingsbrüder Niemetz wurden auf das Gebäude aufmerksam und erwarben es 2011. Natürlich war es ein Sanierungsfall. Klar war aber auch: Alles sollte im Grunde so bleiben, wie es war.

Die große Chance, die dieses Haus bot, lag nämlich nicht in seiner Größe oder dem, was man so gern als Potential bezeichnet. Sondern in seiner völligen Intaktheit im Originalzustand von 1907. Auf der Fassade gibt es ein Ornamentrelief mit Kastanien – ein Hinweis auf die Kastanien des Umfelds. Es gibt eine schöne Veranda und uralte Dielenböden aus Lärchenholz. Das Satteldach war noch mit den alten Ziegeln eingedeckt – hier war ein Austausch nötig, aber mit der gleichen Ware. Die Restaurierung der Veranda erfolgte sehr behutsam, und im Hausinneren wurde alles, was da war, hervorgeholt, gereinigt, imprägniert und dann wieder an seinen Platz gefügt. Lediglich die Raumaufteilung wurde überarbeitet, um zu einem vernünftigen Wohnraum zu kommen. Auch das Bad samt dem englischen Fenster mit dekorativen Glasfeldern sind neu. Abseits vom Trend
Aber es gibt keine Dämmung, keine Thermofenster, keine Erdwärme oder Wärmerückgewinnung. Mit Ausnahme der Dämmung der obersten Geschoßdecke, die sinnvoll ist und nicht ins Bild eingreift, wurden alle thermischen Optimierungen ausgelassen. Der Grund ist so einfach wie plausibel: Aufgrund des Kleinformats dieses Hauses wäre durch solche Maßnahmen nur ein kleiner Effekt zu erzielen, außerdem würden die Eingriffe in die historische Substanz den Gewinn deutlich überwiegen. Die seltene Chance, ein altes Haus im Urzustand zu bewahren, wäre damit vertan.
Das kann man heute auch schon als mutig ansehen, denn die neue Ethik der thermischen Optimierung steht oft an oberster Stelle. Manchmal kommt es aber auf etwas anderes an.

Ein Haus wie damals
Die Originalfarbe der Fassade ist nicht mehr erhalten. Die Eigentümer entschieden sich für ein sehr leichtes Lindgrün, abgesetzt mit gebrochenem Weiß. Holzelemente auf der Außenseite prangen in kräftigem Dunkelgrün. Damit gibt das Schöndorferhaus einen Eindruck davon, wie kleine Wohnhäuser im österreichischen Jugendstil gewirkt haben: frisch und elegant, aufgeräumt und gastfreundlich. Wenn man dieses Haus sieht, merkt man gleich: Eine moderne Erweiterung hätte ihm nicht gutgetan.

Trotzdem hat auch die Moderne hier reichlich Platz, denn die Brüder Niemetz sind begeisterte Sammler moderner Kunst. Die hängt hier jetzt an den Wänden, und als Esstisch fungiert der Arbeitstisch eines Bildhauers, in den sich vierzig Arbeitsjahre eingeschrieben haben. Ein „Haus voller Zeit“, wenn man so will, und mit einer Atmosphäre, die zu bewahren das Kunststück jeder überlegten, behutsamen Restaurierung sein sollte.

Eigentümer: Andreas Niemetz

Planung: Josef Szabo GmbH