Sie liegen alle in Sichtweite zueinander, die 55 Bahnwächterhäuser entlang der Semmeringbahn; nichts durfte den Blickkontakt von einem zum anderen Haus stören.
Mit Eröffnung der Semmeringbahn im Juli 1854 war eine lückenlose Überwachbarkeit der höchst anspruchsvollen Streckenführung über die nördlichen Kalkalpen gefordert. Die Bahnwächter waren für die Streckenwartung und Sicherheit der ihnen zugeteilten Bahnstrecke verantwortlich und mussten mit den Kollegen entlang der Strecke kommunizieren können. Dies war ausschließlich über sichtbare Alarmsignale möglich, aus diesem Grund befinden sich viele der Häuser in besonderer, exponierter Lage mit einzigartigem Ausblick und weitem Blickfeld.
Das Haus Nummer 160
Eines davon ist das Wächterhaus Nr. 160 in Breitenstein am Semmering. Idyllisch umgeben von Wiesen und Wanderwegen liegt das Haus ähnlich einem Solitär oberhalb des Weinzettl-Tunnels und bietet einen legendären Blick auf das Kalte- Rinne -Viadukt, das für lange Zeit die Rückseite der Österreichischen 20-Schilling Banknote zierte.
Liebevoll und nach Vorgaben des Denkmalschutzes, dem alle Bahnwächterhäuser seit einiger Zeit unterliegen, hat der heutige Besitzer das Haus restauriert und renoviert. Ein Verputz, der nicht mehr dem Originalzustand entsprach, wurde abgeschlagen, der darunterliegende Naturstein in aufwendiger Kleinstarbeit gereinigt und damit die Originalfassade wiederhergestellt. Die bestehenden Fenster wichen zugunsten originalgetreuer Kastenfenster.
„Innen hatten wir nahezu alle Freiheiten, die Außenansicht durfte nicht verändert werden“, so der heutige Besitzer, der viele der nötigen Arbeiten in Eigenregie durchführte und im neugestalteten Badezimmer sogar eigens ein Fresco anfertigte. Blieb im Zuge der Generalsanierung im Erdgeschoß die Raumaufteilung und die alte massive Steinstiege erhalten, wurden hingegen im Obergeschoss für die Schaffung einer großzügigen Wohnküche zwei Wände entfernt. Aus einem Guss
Von außen ist von all dem gleichwohl nichts zu bemerken. Das Bahnwächterhaus Nr. 160 sieht aus wie eh und je und gleicht somit in der Bauweise allen anderen Bahnwächterhäusern entlang der Semmering Bahnstrecke, für die damals allesamt der Architekt Moritz von Löhr verantwortlich zeichnete. Wenige Zierelemente schmücken diese Häuser, die einfache kubische Gestalt des Baukörpers mit Satteldach, das Bruchsteinmauerwerk an der Fassade und das runde Giebelfenster prägen ihre Charakteristik. Die einfache Gestaltung war bewusst gewählt, wollte man doch der Überwachung und Erhaltung der Hochbauten möglichst geringe Lasten aufbürden und mit einer soliden Bauweise einerseits den Anforderungen des Witterungsschutzes gerecht werden und andererseits den Bedarf an voraussehbaren Wartungsarbeiten möglichst geringhalten.
Vor unserer Zeit
In ihrer aktiven Zeit arbeiteten die Bahnwächter im Schichtdienst rund um die Uhr und der Job war ausschließlich verheirateten Männern vorbehalten. Darum war in jedem Haus Platz für zwei Familien, die jeweils auf 60 m² pro Stockwerk lebten. Die Arbeit war herausfordernd, die Wächter waren dafür verantwortlich, einen reibungslosen und sicheren Bahnverkehr zu gewährleisten. Die Kommunikation mit den Lokführern und auch jene untereinander musste unmissverständlich funktionieren, ohne technische Hilfsmittel, ausschließlich über sichtbare und/oder akustische Signale wie beispielsweise Signal-Ballone, Fahnen, Glocken, Pfeifen und Signallaternen. In der Nacht mussten die Fenster in Richtung des nächsten Bahnwächterhauses verhängt werden, damit die Beleuchtung in den Zimmern nicht als Lichtsignal missinterpretiert werden konnte.
Schade, eigentlich, für die damaligen Bewohner von Haus Nummer 160. Denn der wunderbare Blick auf den Nachthimmel, der, aufgrund der geringen „Lichtverschmutzung“ im Umkreis, die Milchstraße in klaren Nächten eindrucksvoll erkennen lässt, blieb ihnen damit verwehrt.
Eigentümer: Privat
Planung: Baumeister Peter Griebaum