Viel Licht durchströmt die Räume des revitalisierten Bauernhauses, das seine 400 Quadratmeter Wohnfläche nicht versteckt. Im Gegenteil: Ohne den alten Zwischendecken geht der Blick bis hinauf in den einstigen Dachboden und man spürt sofort die wohltuende Offenheit dieses großzügigen Raumkonzepts.
Alles ist hell: weiße Wände, zwei Holztöne mit wechselnder Maserrichtung, das war’s. Reduziert auf den eigentlichen Zweck. Das Schöne ergibt sich hier aus der Funktion, das zeigen etwa die holzumrahmten Fenster oder der kräftige Holzbalken unterhalb der quer durch den oberen Bereich verlaufenden verglasten Galerie. Er hält zwei Außenwände zusammen und hat demnach eine statische Funktion.
1917 ausgebrannt
Die letzte Renovierung liegt etwa hundert Jahre zurück: 1917 brannte der Dachstuhl aus, nach seiner Erneuerung bleibt alles weitgehend unverändert. Vor etwa 60 Jahren kam ein kleineres Nebengebäude als Wohnbereich hinzu. Jetzt ging es vor allem darum, aus Stallungen, Wohnbereich und Wirtschaftsräumen eine sinnvoll aufgeteilte Wohn- und Arbeitswelt zu machen. Und so dient das grundlegend revitalisierte Ensemble jetzt als Wohnhaus mit integrierter Praxis für Physiotherapie und gelegentlicher Fremdnutzung durch Yogagruppen.
Ungemein weiches Licht
Tageslicht statt Lampen: Besonders gut funktioniert das im großen Übungsraum, an dessen Decke zwei Beleuchtungselemente mit einem leichten Stoff verhängt sind. Der Boden ist hier mit einem erdigen hellbraunen Linoleum belegt und hat trotz reger Benutzung in drei vergangenen Jahren noch keine Schramme abbekommen. Im Behandlungsraum gibt es ebenso dieses sanfte Licht. So klar und reduziert hier alles gegliedert ist, so konsequent waren die Eigentümerin und der Architekt bei der Wahl der Materialien: Simon Speigner plante den Umbau aus einer ganzheitlichen Sicht heraus, möglichst umweltverträglich und naturnah. Für die Dämmung wurden unter anderem Holzfasern und Zellulose verwendet. Geheizt wird mit Hackgut aus dem eigenen Baumbestand. Im vergangenen strengen Winter reichten dafür 60 Raummeter aus. Im Sommer ist alles angenehm kühl, sogar bei offenen Fenstern. Alter Familienbesitz
Das alte Bauernhaus stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde vor einiger Zeit aus dem Eigentum der Großeltern übernommen. Der Umbau des Vorhandenen stellte besondere Herausforderungen an Planer und Eigentümerin. Die Neuaufteilung zwang natürlich zu Kompromissen, manchmal musste umgedacht werden. Und wo Zwischendecken herausgenommen wurden, ergaben sich daraus Folgefragen, auch statischer Art. Stets entschied man sich dabei für die einfachste, praktischste Lösung. Mit Erfolg: Bei dieser Liegenschaft gibt es, auf die Kosten gerechnet, ungleich mehr Platz als bei einem Neubauprojekt, das dann sehr viel kleiner ausgefallen wäre. Und man spürt unmittelbar diese wohltuend unprätentiöse Atmosphäre, die so viel Normalität vermittelt.
Zweiklang des Materials
Nicht minder spannend ist die Formsprache der Liegenschaft. Die beiden langgestreckten Häuser sind durch eine Verbindung erschlossen, auch dieser Freibereich wird von Holz beherrscht. Auf Bodenniveau wurde mit Steinplatten gearbeitet, ein fester Weg führt zwischen dezenten Beeten mit Sträuchern und Gräsern entlang. Auch hier wurde die Dualität von weißen Wänden und schönen Holzflächen umgesetzt: Außen wie innen besticht das Ensemble durch diese gelungene Verbindung. Das strahlt Ruhe und Harmonie aus, es bildet aber auch die enge Zusammengehörigkeit dieser beiden Gegensätze ab – wie in der Lehre von Yin und Yang.
Auf diese Weise setzt die architektonische Gestaltung in gewisser Weise Prinzipien um, die sich hier auch in der Physiotherapie und im Yoga wiederfinden: Ganzheitlichkeit, Vereinfachung, Entschleunigung. Konzentration auf das Wesentliche: Der Mensch kommt hier wirklich zur Ruhe und zur eigenen Mitte zurück. A.G.
Eigentümer: Privat
Planung: sps architekten zt gmbh