Das Bezirksgericht kehrt heim

Ein Haus zeigt was es kann
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EIN HAUS ZEIGT WAS ES KANN | Das Bezirksgericht kehrt heim

Das denkmalgeschützte Renaissancehaus des Bezirksgerichts von Waidhofen an der Ybbs genügte heutigen Bau-und Sicherheitsvorschriften bei weitem nicht mehr und niemand traute ihm zu, sie je erfüllen zu können. Die Sanierung durch das Waidhofner Büro w30 Architektur bewies das Gegenteil. Nun ist das Bezirksgericht seit 2019 am alten, neuen Standort revitalisiert wieder in Betrieb.

Waidhofen an der Ybbs hat einen Fluss, einen mittelalterlichen Stadtkern, zwei auf verschiedenen Höhenniveaus parallel verlaufende Stadtplätze und ein Bezirksgericht. Dieses war schon 160 Jahre in einem denkmalgeschützten Renaissancehaus am unteren Ende des Oberen Stadtplatzes eingemietet. 2012 beschloss die damalige ÖVP Justizministerin Beatrix Karl, die Bezirksgerichte Haag und Waidhofen in Amstetten einzugliedern. „2014 zogen wir aus, doch wir hatten Glück: es war nicht genug Platz“, erzählt Mag. Markus Pischinger, der Vorsteher des Bezirksgerichts. Der nachfolgende Justizminister Wolfgang Brandstetter machte die Eingliederung wieder rückgängig

Kein Raum gleich
Im September 2017 kehrte das Bezirksgericht zurück, die Stadt war darüber sehr glücklich, sie kämpft mit Leerstand. Für einen dauerhaften Betrieb musste der Renaissancebau barrierefrei, haus-, brandschutz- und sicherheitstechnisch modernisiert werden. Die Nutzung ist diesbezüglich sensibel. „Der zuständige Beamte im Ministerium traute das dem alten Gebäude nicht zu. Er hielt es für unmöglich, aber es funktionierte,“ freut sich Maria Schneider von w30 Architektur, die mit Andreas Bosch den Umbau leitete. „Dieses Projekt abzuwickeln war eine schöne Erfahrung. Ein Bezirksgericht nach dem anderen wandert auf die grüne Wiese, wir konnten der Stadt ein Gebäude erhalten, das wieder Frequenz bringt.“

Das Bezirksgericht nimmt einen trapezförmigen Häuserblock ein, die Eingangsfassade liegt gleich beim Oberen Stadtplatz. Hier ist nichts symmetrisch, keine Wand gerade, kein Raum gleich, kein Boden eben, nichts rechtwinkelig, alles einmalig. Mit den Jahrhunderten wurde das Haus zu einem verwinkelten Komplex. Es hat meterdicke Mauern, Pfeiler, kleine Fenster mit tiefen Laibungen, Stichkappen-, Kreuzgrat-, Kreuzrippen-, Stern-, Tonnengewölbe. Alles da. „Bezirksgericht“ steht über dem Haupteingang, man betritt es in einem breiten Gang, den die

Stiege ins Obergeschoß stark einengt. Daneben zwängt sich der schmale Rest vom Gang vorbei, dahinter durchbricht eine Türnische eine meterdicke Mauer, der darauffolgende, schmale Innenhof ist auf zwei Seiten von einem Arkadengang gerahmt. Die räumliche Dichte dieser Wegsequenz ist typisch für den Bestand, ihre Lösung typisch für den Umgang damit.

Arbeiten und Bauen im Bestand
Das Gangstück neben der Treppe wurde zur Rampe, die Türnische führt zum Lift, der oben gleich neben der Halle liegt, wo die Stiege ankommt und alle Büros, sowie der Warteraum vor dem Verhandlungssaal erschlossen werden. Ein schöner, ausgewogener Raum, drei Fenster, fast quadratisch, darüber eine Akustikdecke. Sie schützt die Barock- und Palmittendecke der Renaissance, die man darunter fand. Alles wurde befundet und dokumentiert, die Zusammenarbeit mit dem

Bundesdenkmalamt war gut, viel Haustechnik nicht nötig. „Das Gebäude hat so dicke Wände, das konditioniert sich gut. Auch der Schallschutz passt.“ Funktionell strukturierte man den Bestand neu und drehte die Funktionen um, damit der öffentliche Gerichtsbereich und die Büros klar getrennt sind. Der Arkadengang verbindet beide über den Hof hinweg. Zwei Richter, vier Kanzleikräfte, je ein Außerstreit-, ein Grundbuch- und zwei Zivilrechtspfleger arbeiten hier, jeder Schreibtisch ist alarmgesichert, pro Woche gibt es bis zu 25 Verhandlungen. Im Gerichtssaal trennt eine neue Zwischenwand den Warteraum als Puffer zur Verteilerhalle ab. Zahlreiche Glasfelder bis zur Decke sorgen für Licht und eine optische Verbindung zwischen den Räumen. „Früher hatten wir kleine Kammerl, die Heiztechnik war ein Chaos, es gab ein einziges WC für alle Mitarbeitenden“, erinnert sich Pischinger. Die Unterbringung neuer Sanitäranlagen war eine Herausforderung. w30 Architekten führten hinter dem Arkadengang einen zweiten Gang zur Erschließung zweier großzügiger WCs ein. Alles funktioniert bestens.

Eigentümer: Magistrat der Stadt Waidhofen an der Ybbs
Planung: w30 Bauplanung & Innenarchitektur GmbH
Autorin: DI Isabella Marboe
Fotos: Romana Fürnkranz, Andreas Buchberger,
Dominik Stixenberger