VOGLSANGMÜHLE in Altenmarkt im Thale

Märchen und Sagen erzählen von klappernden Mühlen, schönen Müllerstöchtern und fleißigen Müllern. Wir wollen uns hier der so genannten Voglsangmühle widmen:
Voglsangmuhle (c) Nadja Meister IMG 5078
Voglsangmuhle (c) Nadja Meister IMG 5086

Mutig in die neuen Zeiten
Revitalisierung und Neubeginn (in) einer alten Dorfmühle

Mühlen bestimmen seit der Sesshaftwerdung das Leben der Menschen. Märchen und Sagen erzählen von klappernden Mühlen, schönen Müllerstöchtern und fleißigen Müllern. Wir wollen uns hier der so genannten Voglsangmühle widmen.

Dabei handelt es sich um eine der zahlreichen Mühlen, die jahrhundertelang ihre Energie aus dem Göllersbach bezogen. In Altenmarkt im Thale errichtet, ist sie ein imposantes Beispiel für die gelungene Umwandlung historischer Architektur in eine zeitgemäße Nutzungsform. Der Ort liegt östlich von Hollabrunn und gehört auch zum gleichnamigen politischen Bezirk. Namensgebend ist das Tal des Kleinen Göllersbaches, der die Ortschaft durchfließt. Fast schon am heutigen Ortsende gelegen, war die Dorfmühle einst im Besitz des Grafen Kuefstein und bezog das Wasser für das oberschlächtige Wasserrad aus dem Unterwasser der nahegelegenen Feldmühle und zusätzlich von einer Bodenquelle.

Im 19. Jhd. kaufte der Eggendorfer Müller Anton Voglsang (siehe Name) mit seiner Frau Anna Maria die Dorfmühle, die während der nächsten Jahrzehnte im Familienbesitz blieb und weitere Generationen von Müllersleuten beherbergte.

Vor etwa 100 Jahren wurde dann der eigentliche Mühlenbetrieb stillgelegt, doch Reste des Mühlbaches, der Einlauf der Turbine und natürlich das schöne Gebäude sind bis heute vorhanden. Die jetzigen Besitzer konnten 2018 das Anwesen von einer Nachbarin erwerben. Frau Miedinger, wie sie heißt, und ihr Mann betrieben hier im straßenseitigen Trakt des L-förmigen Gebäudes eine Tischlerei, deren Einrichtung fast vollständig erhalten ist. Die neuen Eigentümer überlegen ob und in welcher Form sie diesen Teil der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen können.

Im Wandel der Zeiten und Nutzungsformen gab es hier auch eine Schlosserwerkstatt sowie eine Perlmuttknopf- und Pfeifenfabrik. Frau Miksche, Zeitzeugin und Tochter von Frau Miedinger, erinnert sich noch heute gerne an die heißen Sommertage, an denen sie als Kind im Einlassbecken, das mit Wasser gefüllt wurde, gebadet hatte. (Quelle Schöffl)

Junges Leben zwischen alten Mauer
Seit Jänner 2022 leben hier in der stimmungsvollen Atmosphäre die Landschaftsarchitektin Lena Weitschacher und ihr Partner, die beide ihre Vorliebe für alte Häuser mit Patina und Geschichte teilen. Seit dem Erwerb durch das junge Paar wird das altehrwürdige Gebäude aus Stein, Ziegeln und Lehm sukzessive restauriert und einer neuen lebendigen Bestimmung zugeführt. Der Wohnbereich mit seinen Gewölben wurde bereits liebevoll und originalgetreu instandgesetzt. Wir nehmen in der gemütlichen Küche – der früheren Schlosserwerkstatt – Platz und bestaunen die gelungene Kombination aus historischer Architektur, den restaurierten Möbeln aus dem Bestand und der zeitgemäßen Haustechnik. Kaum zu glauben, dass die neuen Hauseigner den ursprünglichen Lehmboden eigenhändig bis in einen halben Meter Tiefe ausgekoffert haben, um anschließend dränierende und wärmedämmende Schichten aus Schotter und Schaumglas einzubringen. „Zum Glück hat die ganze Familie mitgeholfen“ erläutert Lena Weitschacher „sonst hätte dieser Bauabschnitt viel länger gedauert und wer weiß ob wir jetzt schon hier wohnen könnten.“

Im voll ausgebauten Zustand soll die einstige Mühle etwa 180 m2 Wohnfläche umfassen, wobei die gesamte Bebauung des rund 4.000 m2 großen Areals an die 1.000 m2 beträgt. Einen Gutteil davon nehmen Stadel und der vordere Quertrakt, in der sich die einstige Tischlerwerkstatt befindet, ein. Außer der Küche gibt es an frisch adaptierten und sanierten Räumen bereits das Wohnzimmer und das Schlafzimmer sowie den Vorraum mit Bad und Sanitäreinrichtung. Für ein behagliches Raumklima an kalten Tagen sorgt eine großzügige Pelletheizung, die über eine Fernwärmeleitung auch das Nachbargebäude mit erwärmt.

Viel anzupacken und originelle Detaillösungen
Der ehemalige Handwerksbetrieb dient zwar schon länger als Wohnhaus, heute gilt es aber auch den zeitgemäßen Bedürfnissen in puncto Wohnkultur und Infrastruktur Rechnung zu tragen. Als vor einigen Jahren die neue Generation einzog, war daher klar, dass dem Thema „Licht und Offenheit“ besonderes Augenmerk geschenkt werden soll. „Glücklicherweise waren kaum bauliche Veränderungen notwendig, da die „originalen Laibungen und Fenster für damalige Verhältnisse schon sehr groß dimensioniert waren. Ergänzend haben wir aber zum Hof hin die schwere doppelflügelige Holztüre durch eine großzügig verglaste Balkonflügeltür ersetzt.“ erzählt die Bauherrin. Heute sind Koch-, Ess- und Wohnbereich enger zusammengerückt und der Zugang zum Garten durch dieses „Panoramafenster“ befindet sich gleich nebenan.“

Offene Gewölbe aus Ziegel und sichtbare Widerlager der Holztramdecken sind schöne Referenzen an die Baukunst früherer Zeiten, sie fordern aber im Gegenzug viel Einsatz bei der Renovierung. In den alten Häusern des Weinviertels war Lehmputz das naheliegende Material und vielerorts sind die ehemaligen „Lahmgruam“ noch in Form von Hohlwegen erkennbar. Als ökologische und robuste Alternative zu Kalk-, Zement- oder Gipsputzen ist das Gemisch aus Ton, Sand und Schluff heute wieder beliebt und wegen seiner feuchteregulierenden Eigenschaften insbesondere für nichtunterkellerte Altbauten geeignet. Die jungen Bewohner der Voglsangmühle haben den neuen Lehmputz ihrer Wände in Eigenregie aufgetragen. „Wo die Fachkompetenz fehlte, mussten wir sie halt erwerben“ lacht Lena Weitschacher „und die Familie half oft auch mit Rat und Tat.“

Der hübsche Boden aus stilechten Altfliesen im Vorzimmer ist ebenso eine Schöpfung der heutigen Bewohner wie eine sehr ungewöhnliche Detaillösung für die „Sesselleisten“. Diese waren ursprünglich als Schiffstaue gedacht und lassen sich hervorragend an „krumme Wände“ anpassen

Hobbies brauchen Platz
Das Faible für historische Architektur haben wir bereits erwähnt, und der Platzbedarf ist einfach den vielen Steckenpferden und Interessen der Hauseigner geschuldet. Wie z.B. der Papeterie „Lenarie“ von Lena Weitschacher, die eine kleine Firma mit erlesenen Buchbindeprodukten und hübschen Zierschachteln betreibt. Das künstlerische Gen ist ein Erbe von Vater Bernd Mayr, einem Weinviertler Künstler, der schon vor vielen Jahren den Fotoapparat gegen Pinsel und Aquarellfarbe getauscht hat, um seiner kreativen Ader freien Lauf zu lassen. Eine Anzahl seiner Werke haben an den frisch getünchten Wänden der Mühle ihren Ehrenplatz gefunden.

Pläne für die Zukunft
An Ideen mangelt es den „neuen Müllern“ keineswegs, und so sind schon weitere Projekte und Ausbaustufen geplant. Etwa den Brotbackofen der ehemaligen Wasch- und Futterküche zu reaktivieren und diese als Sommerküche zu nutzen. Oder den Vordertrakt mit einer weiteren (vermietbaren) Wohneinheit auszustatten. Und im eigentlichen Mühlengebäude könnte ein Kaffeehaus mit künstlerischem Aspekt entstehen. Wir werden sehen…

Übrigens: Wenn jetzt Ihr Interesse für alte Mühlen geweckt wurde, so können Sie bei der Gesellschaft für Mühlenfreunde viele wertvolle Informationen sammeln oder an einer Veranstaltung der so genannten „Mühlenakademie“

Autor: Jürgen Niederdöckl
Fotos: Nadja Meister