Wie schön und erzsolide unsere Vorfahren bauten, davon zeugt ein jüngst restauriertes Haus in Emmersdorf an der Donau. Über die Jahrhunderte widerstand es den Einfällen fremder Truppen ebenso wie den verheerenden Hochwässern, die das Donautal bis heute regelmäßig heimsuchen und erstrahlt heute in neuem Glanz.
Emmersdorf an der Donau wird gerne als das obere Tor zur Wachau bezeichnet und liegt gegenüber von Melk am linken Flussufer. Das Haus Nummer 31 diente seit Jahrhunderten als Lebens- und Arbeitsraum mit integrierter Geschäftsfläche und beherbergte von 1693 an bis vor wenigen Jahren die Backstube und das Geschäft vieler Generationen von Bäckern. Durch den straßenseitigen Eingang geht es ins Erdgeschoß, das vom Dorf aus gesehen das Keller- bzw. Untergeschoß bildet. Diese tunnelartige Zugangssituation zum Erdgeschoß ist ein Charakteristikum, das öfters bei zeitgleichen Bauten in der Wachau beobachtet werden kann.
In diesem ältesten Gebäudeabschnitt befindet sich die „Keralei“ von Gabriele Kummer. In den mit Kreuzgewölben überspannten Räumen kann man das Arbeiten mit Ton und verschiedenen Naturmaterialien mitverfolgen und auch selbst erlernen. Das mittelalterliche Haus mit seinem historischen Ambiente ist wie geschaffen für die Keramikwerkstätte der Künstlerin, die schon lange mit Emmersdorf eng verbunden ist. „Ich habe auch einige Jahre in einem modernen Smart Home mit allem Komfort gelebt, aber inzwischen bevorzuge ich die 600 Jahre alten massiven Wände, die an den dünnsten Stellen immer noch 50 cm messen. Da braucht es keinen zusätzlichen Wärmeschutz mehr, man kann zum Lüften die Fenster öffnen und das Raumklima ist zu allen Jahreszeiten angenehm.“ In ihrer Werkstatt entstehen unter anderem individualisierte Türschilder, Brotdosen u. v. m, die insbesondere Haus- und Gartenbesitzer zu schätzen wissen. „Ich freue mich auch, meine Erfahrung und Begeisterung zu teilen und über die Kommunikation mit Menschen deren Wünschen ich versuche Gestalt zu geben.“
Kramurigwölb und Heimatmuseum
Eine Zeitlang enthielt das Haus 31 auch ein kleines Heimatmuseum in dem der gebürtige Südtiroler Alois Zipperle so manch interessiertem Besucher Einblicke ins ländliche Leben des 17. bis 19. Jh. bot. Bei den mehr als 2.000 Exponaten handelte es sich um handwerkliche Geräte und andere Gegenstände vor allem aus Niederösterreich. Beispielsweise Holzschlittschuhe aus dem Jahr 1674, einen Wachauer Pflug von 1883, eine über 200 Jahre alte Nudelpresse, einen Holz-Kühlschrank mit Eisblockvorrichtung, Laternen, aber auch Fußfesseln und andere Instrumente früherer Gerichtsbarkeit.
Ein Wachauer Baujuwel
In Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt wurde dieses bemerkenswerte Haus von den aktuellen Besitzern, dem Ehepaar Fahrnberger, von Grund auf restauriert. Dabei wurden primäre Strukturen wie zum Beispiel Gewölbedurchgänge sowie Teile der ursprünglichen Fassade oder der Pyramidenkamin der im mittleren Gebäudeteil befindlichen ehemaligen Rauchkuchl aus dem 16. Jh. wieder freigelegt. Als einzigartige Besonderheit kann dieser Kamin durch eine „Panoramaverglasung“ vom darunter liegenden Raum eingesehen werden. Die Rauchküche diente übrigens nicht nur der Speisenzubereitung, sondern ermöglichte außerdem die zentrale Beheizung von mehreren großen Räumen auf drei verschiedenen Ebenen.
Auch der bestehende historische Dachstuhl wurde erhalten und die Dacheindeckung erneuert. Ursprünglich bestand diese aus Fichtenschindeln, die nun durch widerstandsfähigere Lärchenschindeln ersetzt wurden.
Im Haus gibt’s zwar über 20 Zimmer, aber keinen rechten Winkel, was in puncto Einrichtung echt herausfordernd sein kann, wie eine Bewohnerin schmunzelnd feststellte. Im Dachgeschoß befindet sich nun nach der ab 2021 durchgeführten Renovierung ein 250 m2 großes Loft, darunter ist eine Wohnung und zum Hauptplatz hin gewandt, dort, wo früher die Bäcker residierten, das Geschäftslokal der Keralei.
Die Abfolge der Bauepochen prägt das äußere Erscheinungsbild und die Raumaufteilungen des in seinen Grundzügen bereits 1380 errichteten Kernbaus. Daran schließt platzseitig über eine L-förmige Mauer ein nördlicher Baukörper an. Der ältere Baukörper im rückwärtigen Bereich des Grundstückes ist seitlich gegen Osten versetzt und bildete den Abschluss gegen Süden zum Donaustrom. Durch den Zusammenschluss beider Bauteile, dem platzseitigen Bauteil im Norden und dem in der Tiefe der Parzelle liegenden Kernbau, entstand ein dreiteiliges Grundrissschema. Dabei war die Mauer im Osten wohl ursprünglich als eingeschoßige, aber verputzte, Parzellenmauer ausgeführt.
Mit Hilfe bauhistorischer Untersuchungen konnten bisher fünf von insgesamt neun Bauphasen des Wohnhauses zeitlich abgesichert werden. Beispielsweise wurde durch die Freilegung der Sgraffitogestaltung am Erker und der dort aufgefundenen Jahreszahl 1563 der renaissancezeitliche Bauabschnitt exakt datiert. Das ist insofern wichtig, als in dieser Zeit ein groß angelegter Ausbau des Gebäudes stattfand. So wurde beispielsweise die seitliche Einfahrt mit einem Kreuzgratgewölbe auf seitlichen Wandpfeilern ausgestattet und zum heutigen Seitenflur umgestaltet. Den nördlichen Bereich des Gebäudes stockte man um ein Geschoß auf, das eine flach gedeckte Stube sowie eine gewölbte Kammer mit Abort aufwies. Die Sgraffitodekoration des Flacherkers gibt darüber hinaus Auskunft über den repräsentativen Anspruch dieser Bauphase. Auch die L-förmige Erweiterung im Süden, grob mit dem 16. bzw. 17. Jahrhundert datiert, konnte aufgrund der wissenschaftlichen Holzaltersbestimmung (Dendrochronologie) einer von Ost nach West durchlaufenden Dippelbaumdecke genauer festgelegt werden.
Engagierte Bauherrn und gute Handwerker liefern ein überzeugendes Ergebnis
„Stein, Sand, Kalk – so wurde früher gebaut. Daran haben wir uns orientiert“, erzählen die Fahrnbergers. Sie haben bei der Restaurierung auch selbst Hand angelegt. So wurden etwa dutzende historische Kastenfenster in liebevoller Kleinstarbeit von ihnen restauriert und drei Jahre lang steckten sie jede Sekunde Freizeit in die Renovierung. Kein Wunder bei rund 650 Quadratmeter Wohnbereich auf 300 Quadratmetern Grundfläche. Ein wichtiges Anliegen war es zudem vor allem Handwerks- und Gewerbebetriebe aus der Umgebung mit den professionellen Arbeiten zu betrauen.
Die gewissenhafte Erforschung der Gebäudevergangenheit, seiner Entstehungsgeschichte sowie all die Mühen der Restaurierung haben sich gelohnt, denn heute gilt das Haus außen und innen als echter Blickfang. Behutsam und treffsicher wurde die Farbgebung ausgewählt – mit der Besonderheit des nach Originalmustern wiederhergestellten Biedermeierzimmers im Obergeschoß. Auch die Einrichtung ist stilgerecht und es gibt Mauernischen, Fenstergaupen und so manche Winkel, die mit ihrer Dekoration beim Betrachten immer wieder die umgebende wunderschöne Kulturlandschaft der Wachau ins Gedächtnis rufen.
Autor: Jürgen Niederdöckl
Fotos: Nadja Meister