Fußgängerbrücke in Waidhofen an der Ybbs. Brücken, die über Flüsse führen: Wie lange baute der Mensch sie so, als wären sie fester Grund und müssten ihre Solidität auch optisch erkennbar machen.
Den konstruktiven Möglichkeiten ihrer Entstehungszeit folgend, wirkten sie mitunter massiv und behäbig. Der neue Schlosssteg in Waidhofen an der Ybbs jedoch, ist wie ein Vektor auf dem die Bewegung fließt.
Feine, elegante Linie
Wie ein feiner, minimalistischer Strich verbindet die neue Fußgängerbrücke die beiden Ufer, auf denen sich nun wieder Geschichte und Gegenwart begegnen. Dabei drängt sie sich nicht als Brücke auf, sondern empfiehlt sich mit der Eleganz des Schlanken. Ebenso wie ihre statisch konstruktive Gestaltung sind auch Materialsprache, Bauzeit und -kosten nicht ausgeufert. Schlank war deshalb auch der ganze Planungs- und Umsetzungsprozess. Die beiden Hauptträger sind abgerückt von den Außenkanten angeordnet und lassen die Brücke dadurch noch dezenter wirken.
Unterstrichen wird dies zudem durch eine geschickte dunkle Farbauswahl, die die beiden Träger im Schatten verschwinden lässt. Feingliedrige Elemente, die das Schweifen des Blicks stören könnten, ließ man ebenso weg wie Fachwerke oder Unterspannungen, die wegen der verschiedenen Uferniveaus schief gewirkt hätten.
Hinweis auf Eisenverarbeitung
Mit dem verwendeten Material – wetterfestem Stahl – wird zudem auf die Rolle der Stadt Waidhofen an der Ybbs als Zentrum der Eisenverarbeitung hingewiesen. Teile der Oberfläche bekommen eine braune Patina und lassen das Bauwerk damit organisch in die natürliche Umgebung und die historische Altstadt einwachsen. Die Geländer bestehen aus rostfreiem Edelstahl. Die Konstruktion ist dauerhaft wartungsarm. Lichtschleier anstatt Lichteffekt
Im oberen Geländer ist auf beiden Seiten die Brückenbeleuchtung in den Handlauf integriert. Der hell gehaltene Dünnschichtbelag sorgt auch bei Nacht für eine helle, freundliche Atmosphäre. Dort beträgt die Beleuchtungsstärke 15 Lux. Unterhalb des Handlaufs befindet sich auf beiden Seiten ein Metallnetz, durch das die Beleuchtung streift – dadurch wirkt der Steg nachts wie ein zarter Lichtschleier. Eine starke Effektbeleuchtung ließ man weg, um nicht die Tierwelt des Nachthimmels und der Uferbereiche zu stören.
Sinnlichkeit der Architektur
Interessant ist auch die Bauweise selbst. Es handelt sich hierbei im Grunde um Fertigelemente, die vorgefertigt und dann über die Ybbs geschoben wurden. Danach zog man die ältere Brücke in ähnlicher Weise heraus und schnitt jeweils zwölf Meter lange Stücke davon ab.
Der neue Steg über die Ybbs ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Möglichkeiten dezenter, sinnlicher Architektur, deren Hauptziel nicht die Selbstinszenierung, sondern die Glaubwürdigkeit der Gestaltung ist. Das Ergebnis ist ein echter Brückenschlag – ein Steg, der die Menschen selbst in die Mitte stellt und durch die damit verbundene Wertschätzung jeden Tag inspirieren kann.
Eigentümer: Stadt Waidhofen an der Ybbs
Entwurf / Planung: tragwerkstatt Ziviltechniker GmbH,
Axis Ingenieurleistungen ZT GmbH