Dieses Haus ist in jeder Hinsicht etwas ganz Besonderes: Es trotzt einem kaum bebaubarem Hang mit ungünstigen Lichtverhältnissen. Es zitiert die anonyme Architektur der Gegend und ist doch ein Stück verwirklichten Wollens: Wohnraum in schönster Naturlage, ganz aufs Minimum zurückgenommen. Und deshalb der ideale Ort des „Seins“.
Diese Magie zeigt sich schon in der weltverlorenen Lage, sie zeigt sich in der reinen Grundform, die das Haus zum Haus-Symbol macht, und schließlich darin, dass das Haus auf einem Podest steht – wie ein kultisches Objekt. Es trennt Außen von Innen und gibt dem Betrachter Fragen auf: Welches Geheimnis birgt es? Wer wohnt da? Und was fühlen diese Menschen?
Bauen als Aussage
Selten ist Ästhetik so ungeheuer „da“, ohne dass sich ihre Präsenz aufdrängt. Dieses Haus steht wie ein Monolith in der Landschaft über den man mehr erfahren möchte. Der französische Schriftsteller Jean-Paul Sartre, der Begründer des Existentialismus, meinte, der Mensch sei durch den Zufall seiner Geburt in das Dasein geworfen und müsse sich darum kümmern, seiner Existenz Sinn zu geben. Genau das verkörpert dieses Haus: Es wirkt wie ein unvermittelt in der Landschaft auftauchendes Biwak, zugleich scheint es von der Landschaft selbst hervorgebracht worden zu sein. Alles an ihm ist so weit wie möglich reduziert: die Form, die Farben, die Achsen. Sogar das Dach ist nur eine Fortsetzung von Struktur. Das Haus wurde auch nicht mit Farbe behandelt – außen ist es nach einem mittelalterlichen Rezept schwarzgekohlt und geölt, um es witterungsunempfindlicher zu machen und ihm den gewünschten schwarzen Farbton zu geben; innen leuchtet es von hellem Holz, hier gibt es nur ein paar Akzente aus schwarzem Metall. Nichts hält den Bewohner auf, nichts hält ihn fest. Man kann den Abend vor dem Kamin verbringen, Bücher lesen oder einfach aus den Fenstern in die malerische Landschaft blicken. Der einzige erklärte Dekor ist eine Rotwildtrophäe, die innen unter dem Giebel montiert ist. Das Wichtige – Alles andere fällt weg
Diese Vereinfachung ist eigentlich völlige Entlastung. Sie funktioniert nur auf der Basis äußerst geschickter Planung und verrät etwas von der Lebenshaltung der Bauherren: Von nichts zurückgehalten zu werden, wenn man in der Zeit und am Ort ankommt, das eröffnet überhaupt erst die Möglichkeit der Existenz. Dabei ist diese Haltung kein Luxus, denn die Herstellungskosten waren in einem vertretbaren Rahmen, obwohl großer Wert auf gute Materialien und ökologische Verträglichkeit gelegt wurde. Ein Holzscheitofen spendet direkte Wärme und heizt das Haus über eine Fußbodenheizung. Als Bau- und Sichtelement kam außerdem in Maßen Beton zum Einsatz, der mit dem Holz eine optisch sehr saubere Verbindung eingeht und sich im geschliffenen und versiegelten Estrich fortsetzt. Eine Raumspartreppe verbindet den Wohnbereich mit dem Dachraum, der wahlweise als Gästezimmer, Atelier oder anderes verwendet werden kann. Die Reduktion ermöglicht Vielseitigkeit und Flexibilität.
Der Innenraum wirkt mit seiner sehr zurückgenommenen Gestaltung wie ein schlichter Rahmen um ein beeindruckendes Bild – nämlich die Aussicht durch die große Fixverglasung, die mutwillig aus der Symmetrieachse versetzt worden ist: zugunsten jener ästhetischen Spannung, die den Bewohner diese Art von Klarheit als inspirierend empfinden lässt. Dort blickt man auf den See und weiß sich in Einheit mit dem eigenen Körper, dem Haus, der Umgebung, der Welt. Hat man sich je gewünscht, dass Geisteshaltung sich verstofflicht – hier, am Thurnberger Stausee, ist es geschehen.
Eigentümer: Catharina Windig
Entwurf / Planung: Backraum Architektur, Andreas Etzelstorfer