Da machte Sanierung und Umbau nicht viel Sinn. Das alte Leibetsederhaus in Waidhofen an der Ybbs hat einem Neubau Platz gemacht — dem ersten seit 60 Jahren hier im Altstadtkern am Hohen Markt. Der Standardbau aus der Gründerzeit wurde abgerissen. Wie aber sollte ein Neubau mit Büros auf diesem verwinkelten Bauplatz aussehen?
Äußerlich sollte er sich auf jeden Fall an die Umgebung anpassen, bautechnisch war eine Abkoppelung von den Nachbarhäusern wichtig. Ästhetisch ging man einen zeitgemäßen Weg – erklärt modern und dennoch behutsam eingefügt. Die Gebäudetechnik ist auf dem neuesten Stand und natürlich barrierefrei. Zwanzig Arbeitsplätze wurden hier untergebracht.
Architektur, die funktioniert
Im historischen Altbauensemble Waidhofens schafft moderne Architektur gelegentlich eine optische Zäsur im Straßenbild. Hier jedoch nicht, weil sie ganz zurückgenommen ist und Vieles aus der Umgebung aufgreift: die Lochfassadenstruktur und die Ablesbarkeit der Geschosse, die Oberflächentextur des Rieselputzes, den Dachgarten, das Gesamtbild. Mit seiner gerundeten Außenkante wirkt das Haus fast wie aus den zwanziger Jahren, wären nicht die Fenster unterschiedlich groß und wie zufällig angeordnet. Das nimmt dem Entwurf die Strenge und lässt die Nutzung als Bürogebäude kaum noch erahnen. Man merkt aber schnell: Hier ist ein Klassiker entstanden, der das Waidhofner Stadtbild für die nächsten Jahrzehnte prägen wird.
Zugleich setzt das moderne Gebäude aber auch Standards in Sachen Arbeitsklima: Viel Tageslicht gibt es hier, ein Farbkonzept aus Weiß,- Grau,- und Grüntönen und eine klare Linienführung erinnert an die großen Prinzipien zwischen Bauhaus und Fünfzigern, nur mit dem Unterschied, dass hier anstelle des Modischen das Zeitlose wirkt. Die wasserführenden Klimadecken in den Büroräumen sorgen für konstant angenehme Temperaturen rund ums Jahr, beim automatischen Lüften wird Raumwärme zurückgewonnen und starke Sonneneinstrahlung wird durch Sonnenschutzgläser abgeschwächt. Beheizt wird das Gebäude durch das bestehende Fernwärmenetz. Mit den Kunden, für die Kunden
In das Projekt einbezogen hat der Bauträger etliche seiner Kunden, nämlich insgesamt etwa sechzig Fachfirmen aus der Region. Neun Monate dauerte es vom Abriss bis zur Fertigstellung. In dieser Zeit war aufgrund der direkten innerstädtischen Lage einiges zu regeln, beispielsweise musste man mit einem Einbahnstraßensystem umgehen, das teilweise für LKWs unpassierbar war. Ein provisorisches Gegenverkehrssystem mit Lotsen ermöglichte dann den Baustellenverkehr.
Das neue Bürogebäude erweitert das bestehende Haus der Raiffeisenbank am Hohen Markt um derzeit 20 Mitarbeiter teilweise aus der bisherigen Geschäftsstelle Allhartsberg, wo künftig eine Bankfiliale verbleiben wird. Die dort freigewordenen Räumlichkeiten sollen nun vermietet werden. Der Neubau in Waidhofen ist architektonisch so gestaltet, dass man es vom Haupthaus abtrennen und als eigenständiges Gebäude, bedarfsweise auch mit andersartiger Nutzung, betreiben könnte. Das schafft ein hohes Maß an Flexibilität für die Zukunft.
Belebung der Innenstadt
Durch das ambitionierte Neubauprojekt mitten im Ortskern von Waidhofen soll auch ein Zeichen für die Belebung der Innenstädte gesetzt werden. Ein Stück mehr Arbeitswelt mit dazugehörigem Kundenverkehr, eingehaust in ein sehens- und erlebenswertes Stück zeitgemäßer Baugestaltung, das von ortsnahen Fachbetrieben sozusagen Hand in Hand errichtet worden ist – das zeigt, was in den Stadtzentren möglich ist, wenn man nur will. Und es zeigt, dass dafür nicht immer die ganz großen Foren- und Drehscheibenkonzepte nötig sind: Hier ist es einfach ein modernes Haus, das nicht anecken will, dabei aber doch sehr stark inspiriert.
Bauherr: RAIFFEISENBANK Ybbstal eGen
Planung: architekt HÖRNDLER ZT GmbH