Ein glücklicher Zufall führte Regie, als ein Wiener Ehepaar vor 9 Jahren einen traditionellen Hakenhof im abgelegenen Waldviertler Dörfchen Weitersfeld fand. Die Bauern trennen sich hier nicht gern von ihrem ererbten Besitz.
Gemeinsam mit dem befreundeten Architekten Christian Prasser/cp-Architektur, der Erfahrung in der gefühlvollen Revitalisierung bäuerlicher Bausubstanz mitbrachte, wurde an Plänen gefeilt, dem urigen Gehöft neues Leben mit ländlichem Flair einzuhauchen und die teils durchaus unterschiedlichen Intentionen der frischgebackenen Hausbesitzer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Die Dame des Hauses hat Kunstgeschichte studiert und verknüpft beruflich Kunst mit Wirtschaft – sie machte sich für das zeitgenössische Element stark, während der Hausherr – als Künstler sensibel für Werkstoffe und die guten, nützlichen Dinge aus alter Zeit – dem traditionellen Zitat nicht abgeneigt war.
Und natürlich wünschte sich die fünfköpfige Wiener Familie für ihr Wochenend- und Feriendomizil modernen Wohnkomfort, auf dessen Basis sie vergnügt ins Landleben eintauchen wollte. Mit allem Drum und Dran übrigens: der Hausherr und seine beiden Jungs tuckern stilgerecht mit einem entzückend altmodischen Traktor durchs Dorf, etwa um Gartenabfälle zu entsorgen.
Bekenntnis zum bäuerlichen Charakter
Gemeinsam war der Familie das klare Bekenntnis zum Status des Bauernhauses. Der schlichte, bäuerlich-zweckmäßige Charakter sollte erhalten bleiben.
Im ersten Schritt wurde das Wohnhaus mit angrenzendem Stall – ein Mischmauerwerk aus Bruchstein, Lehmziegeln und gebrannten Ziegeln – umfangreich saniert. Es erhielt einen komplett neuen wärmegedämmten Bodenaufbau und einen auf das Mauerwerk abgestimmten Kalkzementverputz.
In den ehemaligen Kleintierstall wurde eine schwarze Box gesetzt – eine mit MDF-Platten verkleidete Holzkonstruktion – die die Kinder-, Gäste- und Badezimmer beherbergt. Zur Hofseite hin erhielten die Räume Holzschiebetüren. Geheizt wird mit klassischen Öfen und einer Gaszentralheizung. Die Kastenfenster sind nach alter Tradition neu angefertigt: mit zwei verschiedenen Fensterstärken, was – wie schon die Alten wussten – vor Schall und Kälte schützt. Bewusst enthielt man sich bei den Beschlägen und allen anderen Armaturen des folkloristischen Zitats: sie sind modern, schlicht und zweckmäßig.
In einer zweiten Ausbauphase wurde 2016 das Bravourstück des Anwesens fertiggestellt: die Verwandlung des ehemaligen Schweinestalls in eine atemberaubende Open-Air-Wohnküche mit Vielfachnutzen. Eine verblüffende Inszenierung
Da, wo einst die Gülle aus dem Stall plumpste, führt jetzt die „Theaterstiege“ mit breiten Podesten empor zum großen Tisch mit Aussicht, der auf Anhieb Urlaubsstimmung aufkommen lässt. Und darüber … darüber wartet Verblüffendes. Ungewöhnlich ist nicht nur die schmale Brücke, die durch den hohen Dachstuhl von einem multifunktionalen Podest (Basteln, Spielen, romantisches Übernachtungslager) ans andere Ende zu einem lauschigen Aussichtsplätzchen führt. Der alte Dachstuhl ist neu gedeckt, zwischen die klassischen Tonziegel wurden zahlreiche Plexiglasdachziegel eingestreut. Bei trübem Wetter sorgen sie für erstaunlich viel Licht und eine überraschende Lichtstimmung. Ein geradezu fantastisches Schauspiel bietet sich jedoch, wenn die Sonne hervorkommt und sich der ganze riesige Dachstuhl in eine geradezu surreal wirkende Lichtinszenierung verwandelt.
Das inszenierte Licht findet abends seine Fortsetzung: An den Dachbalken montierte LED-Lichtleisten beleuchten den prachtvollen Dachstuhl und geben drinnen indirektes Licht. Durch das teils verglaste Dach und die Lamellenfronten vor den Fensterauslässen dringt das Licht nach draußen. Ein Haus, das nachts märchenhaft von innen her leuchtet…
Die Handwerker konnten es kaum glauben: Kein Glas in den Fenstern, nur diese drehbaren Holzlamellen, die mal mehr und mal weniger Licht aus – oder einlassen!
Es ist ein einmaliges und originelles Haus für die wärmere Jahreszeit, angenehm kühl an heißen Tagen, weil es immer von einem erfrischenden Luftzug durchweht ist. Zusammen mit der rundum guten Durchlüftung und dem in allen exponierten Bereichen verwendeten Lärchenholz, hält das offene Gebäude auch dem Frost und der Feuchtigkeit stand. Lediglich das Gästezimmer mit Bad an der Hangseite ist dicht, gedämmt und mit einem Frostwächter komplett winterfest.
In der Übergangszeit sorgt im Open-Air-Haus ein Multifunktions-Kachelofen für eine verlängerte Sommerfrische. Er dient nicht nur zum Kochen, Backen und Grillen, sondern beheizt auch einen gemütlichen integrierten Liegeplatz.
Und im Winter? Da wird das Wasser aus den Leitungen in der Open-Air-Küche einfach abgelassen und im „richtigen“ Haus gewohnt.
Eigentümer: Privat
Planung: cp architektur