Ein Stück gerettete Baukultur

Lehmhaus in Parisdorf

Ein Stück gerettete Baukultur

In Parisdorf, einem ruhigen Örtchen in der Großgemeinde Ravelsbach, atmet ein uraltes Bauernhaus wieder seinen eigenen Geist. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr.

Möglich machte das eine kleine Familie, die das Haus vor dem Abriss gerettet und in vier Jahren Stück für Stück renoviert und ausgebaut hat.
Die pastelligen Töne der Wände, althergebrachte Drehschalter für das Licht, dazu selbstentworfene Möbel – in diesem Haus spürt man sofort, dass etwas „anders ist“. Es trägt nicht nur die Handschrift seiner Bewohner, sondern auch das Erbe einer Liegenschaftsgeschichte von vier Jahrhunderten. Da wurde immer wieder etwas verändert oder hinzugebaut, anderes ist verschwunden. Beim Umbau fanden sich gelegentlich die Zeugen der Geschichte, da und dort eine kleine Münze oder etwas in der Art.

Nichts übereilt
2001 nahmen sich Christine Tritthart und Ioan Torz, beide in  künstlerischen Berufen tätig, des alten Hauses an. Nach und nach legten sie Mauern frei, erneuerten Dach und Wände, ersetzten Fenster und Türen. Das ging langsam voran. Langsam genug, um keine Fehler zu machen und lange genug, um dabei verschiedene alte Techniken von Grund auf zu verstehen. Lehmfassaden beispielsweise.

Den Lehm holen sie selbst aus dem eigenen Weinviertler Gartengrundstück und mischen ihn je nach Anwendung im richtigen Verhältnis. An den Außenwänden trotzt diese Schicht sogar dem Wetter. Innen gibt sie den Räumen eine unvergleichliche Atmosphäre – in der Küche hat man der Wand sogar die Naturfarbe gelassen. Darunter liegt Schilfgras vom Neusiedler See. Ioan Torz, der aus seiner Kindheit in Rumänien noch eine ganz unverfälschte Baukultur fernab jeglicher Designerattitüde kennt, sägt und hobelt selber, was er für die Fußböden braucht, er baut filigrane Kastenfenster aus Holz und umgibt seine Familie mit Mobiliar, das eine sehr dezente, aber anhaltende Poesie verströmt. Tisch und Stühle haben etwas von der Magie des tschechischen Kubismus. Bewahren statt zerstören
Dieses Haus ist aber nicht allein wegen der hingebungsvollen Renovierung durch seine Besitzer beispielgebend für eine vorbildhafte Erhaltung Niederösterreichischer Baukultur. Weit mehr zählt hier, dass es unter anderen Händen längst abgerissen worden wäre. Die Nachbarn und die Kundenberater so mancher Fachbetriebe rieten davon ab, es umzubauen. Dieses Unverständnis für alte Bausubstanz und bauliche Strukturen hat landauf, landab viel Erhaltenswertes verschwinden oder untergehen lassen.
„Stattdessen haben wir eine Bauberatung vom Land Niederösterreich in Anspruch genommen“, sagt Christine Tritthart. „Roland Meingast gab uns damals die entscheidenden Hinweise, so dass wir die historische Bausubstanz erhalten konnten.“ Das Ehepaar Tritthart/Torz hat sein Haus von Unmengen Beton befreit, dafür kamen Flachs und Lehm, es hat ihm zu Luft und Leben verholfen. Durch die Wahl der richtigen Materialien und die ausgleichende Wirkung der Lehmwände wurde das Haus trocken.

Gute Dämmwerte werden hier durch traditionelle Konstruktionen erzielt: Doppelfenster sind nicht schlechter als Thermoglas. Mit einer Wärmepumpe, die sich aus Luft und Erdreich bedient, kommt man hier auf Heizkosten, bei denen so mancher Neubau-Besitzer ins Grübeln gerät.

Die Seele des Hauses bewahren
In Parisdorf geht es also nicht um designte Spitzenarchitektur, sondern um das, was einmal normal war und längst zur Rarität geworden ist: Die überlieferte Baukultur unserer Vorfahren, die Basis der guten Ortsbildung. Diese wertvolle alte Kultur vor dem Untergang zu bewahren und damit für die Zukunft zu sichern, verdient mindestens genau so viel Aufmerksamkeit wie die ästhetischen Linien, mit denen die Planerszene so gerne von sich reden macht.

Eigentümer: Christine Tritthart und Ioan Torz

Planung: Torz und Tritthart