VIRTUELLE RÄUME | Teil 1

EINE ANNÄHERUNG
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Niederösterreich GESTALTE(N) startet mit dieser neuen Serie den Versuch einer Annäherung an das Phänomen Metaversum und VR.

In der Architektur sind unterstützende digitale Techniken und Werkzeuge bei der Planung, Gestaltung und Visualisierung von Gebäuden schon seit vielen Jahren nicht mehr wegzudenken. Doch bis vor kurzem waren die so entstandenen Räume erst dann betretbar, wenn diese tatsächlich auch gebaut wurden. Dies ändert sich nun mit den jüngsten technischen Entwicklungen im Bereich der virtuellen Realität (VR), mit deren Hilfe digitale Räume durch das Zusammenspiel des Internets mit einer erweiterten virtuellen und physischen Realität auch für ein breiteres, nicht-technisches Publikum „betret- und erlebbar“ werden.

Der digitale Raum, auch Metaversum oder Metaverse genannt, ist eine durch neue Internet-Technologien betretbare, interaktive Umgebung. Darin können sich NutzerInnen – vertreten durch ihre sogenannten Avatare – für Arbeitsmeetings und soziale Events treffen oder Kunstgalerien und Konzerte besuchen. So schickte z.B. die schwedische Band ABBA ihre verjüngten Avatare unlängst auf die Bühne einer Konzertreihe. Die technische Umsetzung dieses Projekts erfolgte u.a. auch mit jenem Animationsstudio, das Insidern für ihre Special Effects der „Terminator“ Filmreihe oder „Star Wars“ bekannt ist.

Die Idee des Metaversums geistert schon seit Mitte der 1990-Jahre in Science-Fiction herum und wurde in den frühen 2000ern von der Tech-Szene aufgegriffen. Konnte sich VR anfänglich aufgrund der damaligen technischen Einschränkungen nicht wirklich durchsetzen, begeistert seit 2009 z.B. das Online-Spiel „Minecraft“ mehrere hundert Millionen Kinder und Jugendliche aus aller Welt. In diesem Spiel kann man mit digitalen Bauklötzen Phantasiegebäude, ganze Landschaften oder beispielsweise die Pyramide von Gizeh (nach)bauen und diese auch begehen. Für die Generation Z (zwischen 1997 und 2012 geboren) ist es also bald nichts Besonderes mehr, für ihre Avatare echtes Geld in digitale Repräsentationen von Mode und modernen Trendmarken zu investieren oder eine Einrichtung für ihr virtuelles Zuhause zusammenzustellen, in dem sie sich mit anderen Avataren treffen.

So wurde 2021 das von der kanadischen Künstlerin Krista Kim entworfene erste virtuelle Haus als NFT (Non Fungible Token) für eine halbe Million US-Dollar verkauft. Der virtuelle Immobilienmarkt, in dem Plattformen in ihren spezifischen Welten digitales Land zum Verkauf anbieten, scheint also zu boomen und lässt aufgrund der begrenzten Anzahl von Grundstücken nicht nur Spekulation zu, sondern macht auch Wertschöpfung möglich. Dabei werden mittels Blockchain-Technologie, die auch die Basis für Krypto-Währungen ist, universal gültige Echtheitszertifikate erstellt, die Investoren Rechte an erworbenen digitalen Objekten zusichern. Zudem wird bereits auch über die Vermietung digitaler Objekte nachgedacht – denn wer nicht über genug Geld verfügt, um sich im Metaversum eine spektakuläre Villa oder ein angesagtes Büro bauen zu lassen, der kann das wie im echten Leben künftig auch mieten.

Bis jetzt existieren die verschiedenen individuellen digitalen Umgebungen unabhängig voneinander. Doch damit das Metaversum über das Konzept hinaus tatsächlich ins Leben gebracht werden kann, müssten die vielen bereits bestehenden Plattformen alle miteinander verbunden sein.

Neues Aufgabengebiet für Architekturschaffende
Digitaler Raum wird also bereits für alle möglichen Zwecke genutzt – doch wer gestaltet ihn? Hier öffnet sich für innovative und experimentierfreudige Content Creators ein riesiges Tätigkeitsfeld mit schier unbegrenzten Möglichkeiten in der Gestaltung ohne Rücksicht auf Schwerkraft oder Materialbeschaffenheit. Dass im Metaversum ein florierender Markt entstehen könnte, beweisen schon jetzt Architekturbüros wie Voxelarchitects (Madeira), Metaverse Architects (Malta), Shift/Space (Hamburg) und Zaha Hadit Architects (London).

Destination (noch) unbekannt
Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass das Technologieunternehmen Meta (früher Facebook) hunderte Milliarden Dollar in die Idee des Metaversums investiert. Auch Microsoft

möchte am Ball bleiben und bietet ihr Office-Paket bereits für virtuelle Bildschirme und virtuelle Teams optimiert an. Unternehmensschwergewichte wie Disney, Procter&Gamble oder Louis Vuitton Moët Hennessy rekrutieren sogenannte „Chief Metaverse Officers“. Ob und wann diese Technologien von der Gesellschaft auf breiter Basis akzeptiert und wie und wofür diese in Zukunft tatsächlich genutzt werden, darüber kann man heute aber nur spekulieren.

Auch in Niederösterreich befassen sich bereits mehrere Institutionen mit der Thematik virtueller Räume, darunter die Universität für Weiterbildung in Krems. Hier befindet sich das Zentrum für Angewandte Spieleforschung und das Zentrum für die Bau- und Immobilienwirtschaft. Letzteres bietet ab September 2023 sogar einen eigenen Lehrgang für „Digitales Bauen“ an. Auch der Designer Philipp Aduatz, der an der New Design University St. Pölten unterrichtet, verbindet seine Kreativität mit dem Potenzial des Digitalen. Mit seinem Portrait erforschen wir im nächsten Heft im Rahmen einer Kurzserie die neuen Möglichkeiten, die sich aus der Nutzung virtueller Räume für die Zukunft ableiten lassen.

Autor: Boris Hauenfels