Gründerzeitvilla in Klosterneuburg

Nach den Sternen greifen - Villa Sternberg

NACH DEN STERNEN GREIFEN | Villa Sternberg in Klosterneuburg

Jahrzehntelang lag die Gründerzeitvilla im Dornröschenschlaf. Das Team von SWAP Architekten und der designaffine Bauherr erlösten sie von ihrem unzeitgemäßen Raumprogramm. Sie öffneten die Rückseite der Villa zum Garten und machten mit einem Durchbruch in der Erdgeschoßdecke die Gesamthöhe bis zum First spürbar. Auch der faszinierende Dachraum lässt sich nun bewohnen.

Das Haus auf dem Hang in Klosterneuburg hat Charakter. Graf Sternberg ließ es um 1910 errichten, es steht in einer Schutzzone. Wie eine Locke dreht sich sein extrem steiles Krüppelwalmdach nonchalant zur Traufkante ein, der breite Dachvorstand beschirmt den Balkon unterm First. Im Südwesten geht das Dach in ein deutlich niedrigeres Satteldach mit Gaupe über. Zu ebener Erde ragt ein eigenwilliger Erker aus dem Grobputz hervor.
Die Villa vereint alpine Bauelemente mit dem Formenrepertoire des Jugendstils. Die Eltern der Bauherren übergaben sie besenrein der nächsten Generation. Diese bezog sie vorerst ephemer mit Luftmatratzen und leichtem Gepäck, bis sich zeigte: Die Villa bedurfte einer Sanierung. Der designaffine Bauherr kontaktierte Christoph Falkner von SWAP Architekten. Die Wohnebene wurde von der tragenden Mittelmauer in zwei Sphären geteilt. Einerseits in die repräsentative Straßenseite mit Salon, Ess- und Erkerzimmer am Eck, andererseits in die rückwärtige Gartenseite mit Küche, Kabinett, Bad, WC und Waschraum.
Bauherr und Architekt wollten diese bauzeittypische Hierarchie auflösen und eine stärkere Verbindung zwischen Villa und Garten schaffen. „Unsere gestalterischen Eingriffe sollten eine Gleichzeitigkeit von alt und neu herstellen.“ Die Sanierung erfolgte in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt, gedeckte Weiß-, Grau- und Brauntöne lassen nun selbst die Fensterläden mit Herzerl nicht mehr rustikal, sondern vornehm wirken. Für die Dachdeckung brannte man eigens Ziegel, deren Farbe die künftige Patina vorwegnimmt.

Haus und Garten
Landschaftsarchitektin Maria Auböck modellierte das Gelände, sodass es sich leicht terrassiert von der Einfahrt im Südosten bis zur Wiese vor dem Haus empor treppt. Das Spiel mit Niveaus setzt sich bei der Terrasse am Pool mit ihren vielen Plattformen zum Sitzen, Liegen, Sonnen fort. Hier kann jeder seinen Platz finden. Die Terrasse bildet die direkte Verlängerung des Küchenbodens, der Übergang von innen nach außen ist als bepflanzte Pergola gestaltet. In das Eschenholz der Terrasse ist eine Tischplatte integriert, die per hydraulischer Mechanik wie eine Hebebühne von Bank- über Tisch- bis zur Barhöhe ausfahrbar ist.
Die anschließende Küche hat nur sehr wenige fixe Elemente, der Rest ist frei für Möglichkeiten. Eines ist der weiße, gemauerte Kamin an der Seitenwand, in den als kubischer Leerraum eine Feuerstelle aus Schwarzstahl eingeschnitten ist. Dessen Unterkante wird zur Ofenbank, die 3 Meter lange Tischplatte aus Schweizer Granit ist mit der gleichen Hydraulik zu heben wie ihr Pendant auf der Terrasse. Jede bildet die Verlängerung der jeweils anderen. Als über sechs Meter lange Tafel verbinden sie das Innen mit dem Außen.
Hinter dem Wanddurchbruch ins Wohnzimmer wartet ein Architekturereignis: auch die darüber liegende Decke wurde zum Luftraum aufgebrochen. Nun sieht man über 9,40 Meter Höhe hinweg ungehindert bis zum Dachfirst, eine Mauerbrüstung um den Einschnitt ermöglicht den Blick aus dem Dachboden zurück. Dessen komplexe historische Holzkonstruktion bleibt als raumbildende statische Struktur sichtbar. Um sie zu sanieren, bedurfte es „wirklich guter Handwerker“, die auch alle unregelmäßigen Zwickelflächen verschalen konnten. Zwischen Zangen, Balken und Sparren erschließt sich nun ein faszinierend vielschichtiger Einraum von rund 120 m². Durch eingeschnittene Dachflächenfenster brechen Außenwelt und Himmel herein. Eine faszinierend leichte Stahltreppe – auch ein handwerkliches Meisterstück –  ist um eine Achse in der Mitte von zwei auf Querbalken aufliegenden Podesten so zu drehen, dass sie jeweils eines davon erschließt. Endlich ist die immanente Großzügigkeit seiner historischen Architektur hier auch zu erleben. Sie schafft einen Raum offener Weite, der das Denken befreit und Neues zulässt.   I.M.

Eigentümer: Privat 

Planung: SWAP Architekten ZT GmbH