Gebäude im Kontext der Gartenplanung haben schon immer aus exotischen Einflüssen geschöpft, wie auch die Gartengestaltung so manches Gewächs aus fernen Ländern herbeigeholt hat. Das sollte man sich vergegenwärtigen, wenn man den Neophyten- und Kulturmix kennenlernen will, der jetzt in der Buckligen Welt seine neue Heimat findet. Dort liegt die kleine Gemeinde Lichtenegg, der Bernd Hochwartner schon seit über zwanzig Jahren verbunden ist.
Der Landschaftsarchitekt und Mitbegründer der Gartenkünstlergruppe Weidlfein experimentiert dort mit Gewächsen aus verschiedenen Klimazonen. Man kann sich das wie ein Casting vorstellen. Was sich bewährt, wird später urbane Dachbereiche begrünen. Zunächst geschah dies auf den Grundstücken von Freunden, während er selbst einen Wohnwagen bewohnte.
Ein Haus mit vielen Funktionen
Das „Grünlabor“ wurde von Architekt Martin Flatz geplant, der mit Bernd Hochwartner schon lange zusammenarbeitet. Es befindet sich im geschlossenen Siedlungsverband, wirkt aber ganz so, als stünde es mitten in der Landschaft. Es ist eine Mischung aus Forschungs- und Ausstellungsraum und bietet sowohl dem Künstler als auch seinen teils meterhohen Gewächsen Raum und das richtige Klima. Von der erhöhten Lage in Lichtenegg aus hat man eine beeindruckende Aussicht über die Bucklige Welt. Der Entwurf ist von den vielen Schuppen und Stadeln inspiriert, die man hier überall vorfindet, außerdem von Japan und der Bruegelschen Winterlandschaft. Auch koreanische Einflüsse finden sich in der Gestaltung der Liegenschaft.
Ganz wie die Pflanzenmixtur, in der auch sehr exotische Gewächse ihre Chance bekommen, die Landschaft zu erobern, ist auch das Grünlabor eine Mischung verschiedener Einflüsse. Zunächst die Form: Sie symbolisiert den Begriff „Haus“ schon durch das klassische Satteldach mit 45°-Neigung. Außen wirkt es mit seiner dunklen Farbe und reflexvollen Glasflächen plakativ; sämtliche Außenwände sind mit verkohltem Fichtenholz verkleidet. Vor dem Haus schützt eine Wand aus Feldsteinen gegen böse Geister – nach koreanischer Tradition, die sich auch innen fortsetzt: Der Bereich zum Essen ist in den Boden gesenkt, man sitzt auf hohlen Travertinblöcken, die zugleich Ablagemöglichkeiten bieten. Auch der monolithische Kaminofen besteht aus diesem Material. Travertin zieht sich auch über den Boden und die Terrasse, den Vor- und Zugangsbereich. Der natürliche Stein speichert die Sonnenwärme und sieht noch dazu gut aus.
Heimstatt für exotische Gewächse
In diesem Gebäude befinden sich Wohn-, Arbeits- und Präsentationsbereich, eine größere Büchersammlung, Küche, Gästebett, Bad und WC. Ein in Wien maßgefertigtes Glashaus wurde direkt in den Bau integriert, es schützt mit seinem Isolierglas gegen Kälte und mit Belüftungsmöglichkeiten gegen Hitze. Diese Orangerie ist je fünf Meter hoch und breit und über fünfzehn Meter lang – damit bietet sie Platz genug für große Baumfarne und andere raumgreifende Gewächse. Das Satteldach des Gewächshauses hat die gleiche Neigung von 45°, an diesen Glaskörper schließt sich das Gästestudio an.
Das Bad mit Sauna ist dem Gebäude seitlich vorgelagert und dient damit zugleich als Übergangsbereich zwischen Garten und Haus. Einerseits eröffnet das eine schöne Perspektive auf den Garten, andererseits sagt es etwas über die Naturverbundenheit der Bewohner aus.
Das ganze Gebäude spielt in jedem Bereich mit den Ebenen und den Blickachsen. Es versinnbildlicht dadurch, dass die Bezüge und Verbindungen – im übertragenen Sinne auch zwischen den Pflanzen und Kulturkreisen – sehr stark vom eigenen Standpunkt abhängen.
Dabei spielt es auch ein bisschen mit vorschnell getroffenen „Gewissheiten“: Von außen sieht es aus wie der Archetyp eines Hauses – doch auf den zweiten Blick ist alles anders. Das Grünlabor hält formal und inhaltlich viele Überraschungen bereit.
Eigentümer: Bernd Hochwartner
Planung: Flatzarchitects – Martin Flatz
……………..DI Bernd Hochwartner