In der Weyrer Straße 5 steht wie auf einer begrünten kleinen Insel ein historisches Stadthaus. Die Bausubstanz verrät die Jahrhunderte. Nun wurde es um einen modernen Anbau erweitert. Drinnen versteckt sich ein ästhetischer Standpunkt.
An sich ist es immer so eine Sache, wenn man an altehrwürdige historische Bausubstanz einen neuen Anbau setzt. Doch die Geschichte zeigt, dass man das auch früher schon genauso gemacht hat: Was da war, wurde umgebaut, erweitert, verändert oder entfernt. Gerade alte Häuser verraten immens viel über ihre Bau- und Nutzungsgeschichte, in der es immer wieder zu Änderungen gekommen ist, je nach den Nutzungsvorstellungen und Ansprüchen der Bewohner.
Im Original verwinkelt
So sollte man es wohl auch sehen, wenn man dieses besondere Haus auf sich wirken lässt. Die darin vorhandene originale Treppe ist eng und verwinkelt, nicht nur der älteren Generation dürfte sie Schwierigkeiten bereiten. Der Zubau bringt ein großzügiges neues Treppenhaus – und je ein Vorzimmer in zwei Geschoßen. Dort bieten bequeme Sitzgelegenheiten die Möglichkeit, den Aufstieg durch eine Rast zu unterbrechen.
Dieser neue Zugang aber bringt die zeitgemäße Erschließung des Gebäudes, wie sie vorher jahrhundertelang einfach nicht da war: eine Punktlösung, die in das Raumensemble des Hauses ansonsten nicht eingreift. Mit hellem Weiß und gemasertem Holzboden zitiert der Anbau die Materialsprache des Hauses selbst. Sichtbetonelemente verraten die modernistische Auffassung. Es ist ein bisschen wie in einem Ausstellungsbereich: Hier der moderne Zugang, dort das Alte, das man aufsucht. Und das wird präsentiert.
Inszenierung der alten Substanz
Bei der umfassenden Renovierung des Hauses wurde besonderer Wert daraufgelegt, die alte Gebäudesubstanz möglichst effektvoll in Szene zu setzen: Ungleichmäßige Fensterausschnitte verweisen auf das historische Ambiente, mit dem sich der Bewohner umgibt. An den Gewölbedecken liegen Bruchsteinoberflächen frei, ebenso hinter der modernen Toilette. Auf den Fußböden wechseln sich zimmerweise rustikale Holzdielen mit Ziegelsteinen ab. Man steht im Esszimmer unter einer historischen Gewölbedecke, in einem anderen Raum prangt eine gotische Balkendecke mit kunstvollen Schnitzereien und Datierung aus dem 17. Jahrhundert.
Geplant wurde die aufwendige Revitalisierung von der Waidhofener Architektengruppe w30. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, auf solide Werte aufzubauen und neue Perspektiven zu öffnen: „Fortschrittliche Architektur ist mehr als visionär und energieeffizient – sie ist vor allem menschlich, schafft Räume mit Charakter für individuelle Bedürfnisse“, heißt es in einer Selbstdarstellung. „Wir folgen dem Motto der Bauhaus-Architekten und meinen: Gute Architektur bringt Form und Funktion in Einklang, folgt klaren Linien, erarbeitet intelligente Lösungen.“
Zwei Fliegen mit einer Treppe
Mit dem durchdachten Konzept eines angebauten Treppenhauses wurde nun zweierlei erreicht: die Erschließung des original erhaltenen historischen Gebäudes unter Berücksichtigung zeitgemäßer Ansprüche und zugleich die deutliche Veränderung des Außenbildes, denn was dort von der ursprünglichen Fassade noch zu sehen ist, ragt hinter einem kubisch angelegten Betonobjekt hervor – ein klares Bekenntnis zur Moderne und eine deutliche Priorisierung klarer Linien.
Eigentümer: Dr. Josef Steiner
Planung: w30 Architektur