Im südöstlichen Waldviertel am unteren Ende des Kamptales und am Fuße des Manhartsberges liegt die charmante Gemeinde Langenlois. Der Name leitet sich ursprünglich vom slawischen Wort „Liubisa“, die „Liebliche“ her und im Lauf der Geschichte hat er sich wiederholt verändert, bis er schließlich die jetzt gebräuchliche Form erhielt.
Weinbau und Handel mit Holz, Getreide, Vieh und Salz bildeten seit alters her die wirtschaftliche Grundlage des einstigen Marktes und längst ist Langenlois die größte Weinbaustadt Österreichs – die Stadterhebung erfolgte übrigens erst 1925. Vom Wohlstand der Bürger zeugen viele prächtige Patrizierhäuser aus der Renaissancezeit, die bis heute das Ortsbild prägen. Eine architektonische Besonderheit ist dabei das so genannte Ackerbürgerhaus – das nomen est omen – eine Mischform aus bürgerlichem Wohnsitz und Bauernhaus darstellt. In seiner funktionellen Struktur wurde das Ackerbürgerhaus in der Regel für eine spezialisierte Nutzung wie z.B. Viehhaltung, Obstanbau oder Weinbau ausgelegt. Häufig mit Wohnräumen im Obergeschoß sowie Nutzräumen, Lagern, Verkaufsräumen und Handwerksgewölben zu ebener Erde.
Stilvolle Bauten im niederen Aigen
Im heutigen Ortszentrum, ehemals „niederes Aigen“, war der Sitz der Kaufleute und Gewerbetreibenden und damit der Märkte am Kornplatz und Holzplatz. Unser Ausgangspunkt ist das Rondeau Kornplatz mit der barocken Pestsäule. Hier zweigt die Walterstraße ab, in der ein ganzes Ensemble solcher Ackerbürgerhäuser erhalten ist, von denen einige noch einen spätmittelalterlichen Kern aufweisen. Nach einem verheerenden Stadtbrand entstanden dort nach 1570 Neu- und Umbauten und vom wirtschaftlichen Aufschwung im 18. Jahrhundert zeugen die Fassaden, Fenster uvm. aus dieser späteren Epoche. Die zweigeschossigen Gebäude haben teilweise ziegelgedeckte Walm-, Sattel- oder Schopfwalmdächer unter denen sich oft auch Dachspeicher verbergen.
Von der Straßenseite betritt man das typische Beispiel eines repräsentativen Ackerbürgerhauses der Renaissance. Der damalige Leerstand wurde von seinen heutigen Bewohnern 1994 erworben und anschließend sanft aus seinem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf erweckt. Es handelt sich um eine dreiseitige Anlage mit hofseitigen Arkadengängen, die in ihrer Substanz bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht und die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kontinuierlich erweitert bzw. verändert wurde. Ursprünglich bildete das Gebäude mit den beiden anschließenden Häusern eine Einheit und war mit ihnen auch im Inneren räumlich verbunden. Im Gegensatz zum benachbarten Wirtschaftshof zeigt sich die Zueignung als Wohnhaus in der repräsentativen Hofgestaltung durch Arkadengänge im Obergeschoß und den im 16. Jahrhundert mit beschnitzten und bemalten Holzbalkendecken und gemaltem Fries ausgestatteten Wohnräumen. Auch die kreuzgratgewölbte Vorhalle mit aufgeputzten Bändern und geometrischen Feldern und der in beiden Geschoßen gewölbte westliche Hofflügel sind dementsprechende Merkmale.
Wachgeküsst
Dem Hausherrn folgend, gelangen wir über eine steinerne Treppe in den Vorraum des Wohnbereiches mit seinem beeindruckenden Kreuzgewölbe und einem in die Wand eingelassenen, bassenaartigen Becken. Letzteres weist vermutlich auf die zeitweilige Nutzung des Gebäudes als protestantisches Bethaus hin, denn das Luthertum hatte im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Anhänger unter den angesehensten Langenloiser Bürgern. Durch das, gegenüber der Eingangstüre liegende, Fenster lässt sich ein Blick auf die teilweise mit Tiermotiven geschmückten Renaissancekamine der angrenzenden Dachlandschaft erhaschen.
Was beim Betreten des linkerhand gelegenen großzügigen Wohnzimmers mit seiner dezenten stilvollen Einrichtung sofort ins Auge sticht, sind der alte Eichenholzboden aus mehr als 20 cm breiten, handgezimmerten Brettern. In der Mitte lässt eine Diele mit außertourlichem Maß noch die einstige Zweiteilung des Raumes erahnen. Beeindruckend ist zudem auch die originale, stark gegliederte Holzdecke, auf der noch Spuren der einstigen Bemalung erkennbar sind. Lange Zeit fristete sie ihr Dasein unter einer abgehängten Blinddecke und musste nach dem Entfernen der barbarischen Verblendung sorgfältig in Stand gesetzt werden.
In der zur Straße hingewandten Fassadenmauer gibt es Nischen, die auf den ersten Blick wie verschlossene Fensterlaibungen aussehen, tatsächlich sind es aber die Reste gotischer Wandschränke, deren Türen leider den Anfechtungen der Zeit zum Opfer fielen, und die beim Erwerb des Hauses vermauert waren. À propos Fenster: „Zur behutsamen Erneuerung des Hauses gehörte selbstverständlich auch die Erhaltung und Reparatur der bestehenden Exemplare in ihren gotischen Laibungen“ erklärt uns der architekturbegeisterte Hausherr.
Beim Wechsel in den angrenzenden Raum fällt die außergewöhnliche Wandstärke im Türbereich auf, welche auf die oben beschriebene Dreigliederung des Gebäudes zurückzuführen ist. Im Prinzip handelt es sich dabei um einen Durchbruch zum benachbarten Haus. Hier in der Bibliothek sind die Deckenmalereien mit ihren floralen Motiven und der ebenfalls gemalten Holzmaserung sehr gut erhalten. In der Renaissance teilte man die Kassettendecken gerne nach antikem Vorbild durch ein Gerüst von waagrechten und senkrechten Balken in gleichmäßige Felder auf. Die Balken aus Eichenholz und die weit eingetieften Felder wurden meist reichlich ausgeschmückt.
Speziellen Charakter verleihen den Wohnräumen auch zeitgenössische Kunstwerke in Form von Bildern und Skulpturen, die sich harmonisch in das klassische Ambiente aus guter Architektur und dem stilvollen Mobiliar vieler Epochen einfügen. Die ausgewählten Exponate und der reiche Blumenschmuck werden von der Dame des Hauses geschmackvoll in Szene gesetzt. Was heute so scheinbar selbstverständlich aussieht – als wäre es schon immer dagewesen, ist in Wirklichkeit das Ergebnis langer Überlegungen, guter Planung und ebensolcher Ausführung, denn bei Übernahme des Objekts war es komplett leergeräumt.
Durch Höfe und Gärten
So eindrucksvoll wie die Innenräume ist auch der große Hof. An einer Längsseite des Gebäudes befinden sich, wie bereits erwähnt, die zweigeschossigen Arkaden, auf der gegenüberliegenden Seite wird das Geviert durch eine hohe geschlossene Mauer des Nachbarhauses begrenzt. Zur Hofmitte hin schließen an diese Mauer eine Blumenwiese und im vorderen Bereich ein rechteckiges Wasserbecken an. Es ist das Habitat einer seltenen Amphibienart – der Wechselkröte, deren Vertreter hier insbesondere an sonnigen Tagen beobachtet werden können. Die beckenüberspannende skulpturale Rahmenkonstruktion, an der eine stattliche Bronzescheibe scheinbar schwerelos im Wind schaukelt, wurde vom Künstler Leo Zogmayer geschaffen.
Beim Spazieren zum Quertrakt des Hauses fällt der Blick in den ehemaligen Pferdestall. Die erhaltene Tränke erinnert noch an die ursprüngliche Verwendung des heute als Sommerküche mit großem Backofen ausgebauten Raume.
Ebenfalls unter den Arkaden befindet sich der Abgang zu den weitläufigen Kellern, die einst wegen ihres gleichmäßig kühlen Klimas zum Frischhalten von Lebensmitteln dienten und auch heute noch für die Lagerung von Wein verwendet werden. Die beeindruckenden Gewölbekonstruktionen aus Stein und Kalkmörtel, die seit ehedem ihre Festigkeit bewahrt haben, halten durch die Spannung, die mit der Fertigstellung entsteht. Die einzelnen Steine drücken gegeneinander nach außen und stabilisieren sich auf diese Weise gegenseitig. „Dazu wurden zunächst vom Zimmermann gefertigte bogenförmige Holzgestelle – so genannte Lehrgerüste, ähnlich einer Schalung im Betonbau – aufgestellt. Auf diese konnten dann die Steine geschichtet und mit scharfem Kalkmörtel vermauert werden“ erläutert stolz der Hausherr.
Wieder im Tageslicht angekommen, passiert man den Quertrakt mit Gästewohnungen, der den Haupthof abschließt. Der dahinterliegende Zwischenhof überrascht und erfreut zugleich das Auge mit seiner herrlichen Blumenpracht. Im hintersten Teil des ausgedehnten Grundstücks befindet sich der eigentliche Garten – ein kleines Paradies das zur Bereicherung des Speiseplans mit selbstgezogenem Gemüse, geschaffen wurde. So gibt es in einem kleinen Gewächshaus z.B. mehr als 100 verschiedene Paradeissorten, deren Samen von verschiedenen Reisen mitgebracht wurden.
Auf einer etwas abseits gelegenen Wiese ragen eigenartige schornsteinartige Einbauten empor, deren Bedeutung der Hausherr erklärt: „Wir stehen hier auf einem Areal, das in alle Richtungen hin unterkellert ist und diese Dome sind die Kappen der Lüftungsschächte.“
Abschließend gibt es noch die Gelegenheit den historischen Dachboden zu besichtigen. Architektonisch fallen hier insbesondere die für heutige Verhältnisse außergewöhnlichen, und oft verwegen verschachtelten Zimmermannskonstruktionen auf.
Abschließend wollen wir noch wissen, was es über die Renovierung Spannendes zu berichten gibt? Schmunzelnd erzählt der Bauherr die folgende, selbst angesichts von Baupannen, ungewöhnliche Geschichte: „An einem 23. Dezember reisten wir an, um die Weihnachtsfeiertage in unserem neuen Domizil, das – wie wir dachten – schon provisorisch bewohnbar sei, zu verbringen. Abends, als wir uns bereits zu Ruhe begeben hatten, begann es plötzlich von der Decke zu tropfen. Das Verschieben des Bettes brachte nur eine kurzfristige Linderung des Problems, denn die Stellen an denen es tropfte, mehrten und mehrten sich. Was war geschehen? Der über der Decke eingebaute Estrich war ganz frisch und enthielt noch zu viel Wasser, das bei den winterlichen Temperaturen zunächst fror. Nun aber wurde der Raum beheizt und das Schmelzwasser aus dem Estrich begann der Schwerkaft zu folgen. Damals blieb uns nichts Anderes übrig, als vorübergehend wieder in die Stadtwohnung zurückzukehren. Heute ist das historische Haus aber unser Wohnsitz und es ist schön darin „Gast“ sein zu dürfen.