Wundersame Legenden ranken sich um die Entstehung der Marienkirche von Bad Deutsch-Altenburg, gegründet von niemand Geringerem als dem ungarischen König Stephan dem Heiligen (969–1038) um das Jahr 1.000.
Es habe sich zugetragen, dass wild scheuende Pferde wundersam an Ort und Stelle zum Stehen kamen und so der König gerettet wurde und daraufhin ein feierliches Gelübde tätigte. Ebenso aber könne der Rückzug des feindlichen Heeres unter Kaiser Konrad II. nach Gebeten Stephans I. an die Muttergottes dem Bau der Kirche Anlass gegeben haben. Der Landstrich rund um Carnuntum, der als historische Grenzregion schon unter den Römern in die Geschichte einging, stand am Beginn des 11. Jahrhunderts unter ungarischer Herrschaft. An Szent István, wie der Nationalheilige auf Ungarisch genannt wird, erinnert heute ein Porträt im nördlichen Seitenschiff, wie Franz Müllner und Josef Schrammel in ihrem Kirchenführer aus dem Jahr 1972 beschreiben, „wobei in seinem Königsmantel die Silhouette der Kirche eingewebt erscheint.“
In seinem Gesamtbild ergibt das prächtige Gotteshaus eine faszinierende Fusion romanischer und gotischer Kirchenbaukunst. Vom ältesten Gründungsbau, der – ebenfalls in der Zeit der Romanik – ab dem frühen 13. Jahrhundert um Westempore und Südkapelle erweitert wurde, bis zum gotischen Ausbau ab dem 14. Jahrhundert zeigt sich in der Architektur die steingewordene Genese der Basilika. Dass „diese Kirche älter sei als ähnliche romanische Bauten, wie zum Beispiel Heiligenkreuz“ greifen Müllner/Schrammel unter Hinweis auf das Urteil Friedrich von Schmidts, dem berühmten Wiener Dombaumeister, auf. Als Gegenpol zu Elementen der älteren Epoche wie den Rundbogenportalen erheben die Strebepfeiler Anspruch auf Aufmerksamkeit für die Zeit der Gotik.
Der achteckige Kirchturm im Westen, der auf einem Quadrat als Grundriss ruht, ist eine weitere Besonderheit des Sakralbaus, dessen Fassade durch Kalksteinquader geprägt ist. Im aktuellen und außerordentlich informativen Kirchenführer verweist Autor Martin Steinhauser auf die prägnante räumliche Geometrie des frühgotischen Turmes und erklärt: Die „Strebepfeiler sowie ein weitgehender Verzicht auf dekorative Kleinformen bewirken ein blockhaftes, ernstes und massiges Erscheinungsbild.“ An den Spitzen der Giebel musizieren Figuren.
Bewegte Geschichte
Dekorative Elemente treten sowohl figurativ als auch ornamental auf. Die Kreuzrippen des Hauptschiffs, das von den Seitenschiffen auf jeder Seite durch Pfeiler in jeweils fünffacher Ausführung abgegrenzt wird, stammen aus der gotischen Phase der Gebäudebiographie. Viele verheerende Momente hat die „Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt“ im Lauf der Jahrhunderte erleben müssen: zweimalig die kriegerischen Einfälle der Osmanen (1529 und 1683), ein Brand durch Blitzschlag (1570) und eine Feuersbrunst aufgrund einer nicht gelöschten Wallfahrtskerze (1774), aber auch die Zerstörung der Fenstergläser 1945 aufgrund einer Brückensprengung durch die Wehrmacht beim Rückzug. Die Marienkirche wurde als sowjetischer Gefechtsstand sogar direkt in das Geschehen rund um das Ende des Zweiten Weltkriegs involviert. Laut Müllner/Schrammel hisste die sowjetische Besatzung auf dem Hochaltar eine rote Fahne.
Gelebte Spiritualität
Unter dem offiziellen Schutz der Muttergottes überdauerte die Basilika auf der Anhöhe über Bad Deutsch-Altenburg jahrhundertelang stürmische Zeiten und spendet als beliebtes Ziel für Wallfahrten den Gläubigen bis heute Trost sowie allen Besucherinnen und Besuchern ein eindrucksvolles Raumerlebnis.
Wer den Ort besucht, findet als Teil des Friedhofs die „Leonhardikapelle“, die als Karner zur Verwahrung von Gebeinen im frühen 13. Jahrhundert errichtet wurde und ebenfalls als architektonisch ausgesprochen wertvoll einzustufen ist. Als letzte Ruhestätte fanden Mitglieder der herrschaftsinhabenden Familien Dörr oder Ludwigstorff ihren Platz direkt in der Marienkirche. Zur Bedeutung der Bestattung an sakralen Stätten bietet die Lektüre der „Geschichte des Todes“ von Philippe Ariès Aufschlussreiches.
Doch zurück nach Bad Deutsch-Altenburg. Auf dem sogenannten „Kreuzelberg“ nahe der Basilika soll der Legende nach der einst mächtige Magyaren-Herrscher Árpád bestattet sein, was jedoch weitaus weniger historischen Gehalt als der Gründungsmythos der Marienkirche und ihres ungarischen Ursprungs bietet.
Autorin: Dr. Theresia Hauenfels
Fotos: Romana Fürnkranz
Drohnenfotos: Christoph Bertos