Umgeben von bedeutsamen Bauten inmitten einer Schutzzone entstand die neue Wirtschaftskammer-Bezirksstelle Baden. Anstelle des alten bestehenden Gebäudes steht nun der neue Baukörper und bildet mit seiner neuzeitlichen Gestaltungssprache einen spannungsvollen Kontrast zur historischen Nachbarschaft. Das ist gewagt. Gelingt es auch?
Subtile Bezüge zur baulichen Umgebung
Auf der linken Gebäudeseite wurde mit einem kleineren Vorhaus die gegebene Straßenflucht aufgegriffen und der Anschluss an die eingeschossige dörfliche Baustruktur verwirklicht. Die Gebäudefront selbst orientiert sich, wie das villenartige Nachbarhaus, an der zurückversetzten vorderen Baufluchtlinie. Die betont vorspringenden Fensterrahmen zitieren traditionelle Fenstergewände, während die leicht vorspringende Attikakante an die vorgezogene Dachkante von Traufgesimsen in alter Bauart erinnert. Historische Elemente der Umgebung wurden architektonisch zeitgemäß in den neuen Baukörper transformiert und damit Verbindungen zum bestehenden Bauensemble hergestellt.
Zweckorientierte Gliederung
Alles Weitere dient hauptsächlich der Funktionalität: barrierefreie Erschließung über den Vorplatz mit einem zweiten Eingang vom hinteren Parkplatz aus, Gliederung des Inneren durch das Stiegenhaus, das zugleich das Licht ins Gebäude führt. Die Inszenierung von Räumlichkeit gelingt durch die betont vorspringenden Fensterrahmen, die sich innen als umlaufende Holzrahmen fortsetzen. Haupteingang, Wartebereich und die offene Stiege ins Obergeschoss bilden innen eine Achse und eröffnen die Wirtschaftskammer als Ort der Begegnung, des Dialogs und wirtschaftlicher Anliegen. Dazu trägt auch die Lage und Größe der Glasflächen bei. Von überall kann man schöne Ausblicke auf Baden genießen – Innen und Außen vereinigen sich miteinander in dieser Durchsichtigkeit: „Transparenz“ und „Ausblick“ sind doch gerade in der Wirtschaft sehr häufige Begriffe. Die Gebäudemasse zur Temperaturregulierung
Die Gestaltung ist reduziert und klar, die Möbel wirken leicht, und als gestalterisches Element wurde eleganter Sichtbeton mit dem Maserbild der hölzernen Schalungsbretter eingesetzt. Im Obergeschoß steht ein großzügiger Mehrzwecksaal zur Verfügung. Dieser kann durch mobile Trennwände in zwei Säle geteilt werden – sehr praktisch für Veranstaltungen und Schulungen. Südseitig sind die Fenster mit einem außenliegenden Sonnenschutz ausgestattet, wodurch das Arbeitsklima zusätzlich verbessert wird. Besonders spannend ist aber die Betonkernaktivierung, mit der hier für ein stets behagliches Raumklima gesorgt wird: Die Gebäudemasse selbst wird zum speicherwirksamen Element für Heizung und Kühlung und ausgleichender Puffer, mit dem Wärmespitzen abgeschöpft und bei sinkenden Temperaturen wieder abgegeben werden. Solche Lösungen sind zwar sehr komplex, ihr Nutzen ist aber beachtlich, weil durch sie ein Raumklima geschaffen wird, bei dem man das Thema Temperatur gar nicht mehr wahrnimmt.
Ein Haus für die Wirtschaft
Die Formsprache des Gebäudes ist zweifellos ein Kind modernen Architekturschaffens. Aus einer puristischen Haltung heraus werden historische Elemente der Umgebung in das neue Gebäude übernommen. Optisch wird dieser Baukörper von seinem Unterbau getragen, der sich als transparentes, gläsernes Element auf die Funktion der Wirtschaftskammer zu beziehen scheint.
Mit diesem Bürogebäude wurde in die Lücke, die sich in dem historischen Ensemble auftat, ein sichtbar progressiver Platzhalter eingesetzt, der die heutige Zeit betont.
Eigentümer: Wirtschaftskammer Niederösterreich
Entwurf / Planung: Neustädter + Mramor ARCHITEKTEN