Neuer Ankerpunkt in der Welterbestätte Wachau

Weingut Högl in Viessling bei Spitz an der Donau

Neuer Ankerpunkt in der Welterbestätte Wachau

Wenn die neugestaltete  Liegenschaft des Weinguts Högl dem Betrachter erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt, dann zeigt das schon eine ihrer Qualitäten: Hier wurde mit großem Respekt vor dem baulichen Umfeld und den sich als Kulisse emporragenden typischen Steinterrassen gebaut, die den Grundakkord zu dieser Planung gaben.

Mit großem Einfühlungsvermögen für die Region näherten sich die Vorarlberger Architekten Ludescher + Lutz sensibel an den Genius loci – den Geist des Ortes – an. Das Ergebnis – ein gestalterisch sehr gelungenes Objekt, das den Besucher mit einer Reihe dezenter, aber unmissverständlicher Elemente verzückt – ganz so wie ein guter Wachauer Wein.

Pflicht und Kür der Architekten
Natürlich hat man in den Wirtschafts- und Servicebereichen auf kurze Wege und eine offene Gestaltungssprache geachtet, in den Bürobereichen auf helle Freundlichkeit in Weiß und Holz, im Produktionsbereich auf Zweckmäßigkeit mit verzinktem Eisen und ehrlichem Beton. Etwas Besonderes dürfte aber die Mischbauweise sein, in der sich traditionelle und moderne Prinzipien vereinen und durch die hier ein Brückenschlag zwischen den Zeiten entstanden ist. Schon technisch ist das neue Gebäude, an dessen Stelle früher ein einfacher Stadel stand, ein wahres Kürprogramm, in dem viel Können steckt. Die Mauern wurden massiv ausgeführt, durch die Kombination mit optisch eleganterer Holzbauweise wirkt das aber nicht voluminös. Die Produktionshalle wurde an der straßenseitigen Außenwand mit einer Abkantung an den Straßenverlauf angepasst und lässt die Geometrie dieses Ensembles ähnlich wie den Verlauf der Steinterrassen an den Hängen erscheinen. Auch der Feldspat, der in der Wachau im Boden vorkommt, bildet solche unvorhersehbaren Strukturen.

Architektur als gelebte Kunstauffassung
Außen wie innen finden sich immer wieder Flächen unterschiedlicher Oberflächenstruktur. Das Dach ist rhombenförmig gedeckt und zieht sich wie eine dünne Haut über die steil geneigten Flächen. An Wandteilen und Fenstern finden sich Lamellen aus Holz. Sie dienen der Beschattung, innen „filtern“ sie den Blick in die Landschaft, außen bringen sie mit der Beibehaltung ihrer ungeschnittenen natürlichen Baumkanten das Sonnenlicht in immer neue leuchtende Strukturen. Abends durchscheinen sie gedämpft die Innenbeleuchtung, als wären sie ein leichter Vorhang. Das ist purer Dialog mit dem, der sich in diesem Gebäude bewegt.

Das Licht als Seele des Hauses
Licht ist im Innenbereich das Fluidum, das alle Bereiche zu erlebtem Raum werden lässt. Die unstete Geometrie setzt sich hier fort wie im Innern eines Kristalls. Das schafft aufregende Perspektiven und eine starke Dynamik und Lebendigkeit. Wo künstliches Licht zum Einsatz kommt, sieht man diese Lampen kaum. Die Beleuchtungskörper sind in ihrer Wirkung total reduziert, das Licht allein zählt. Besonders eindrucksvoll ist das bei Dunkelheit. Gezielte Lichteffekte überhöhen den Raumeindruck und schaffen ein Gefühl der Geborgenheit und Heimeligkeit.

Textur, diesmal ganz amorph, findet sich auch an den verputzten Außenwänden. Hier hat man mineralischen Sumpfkalk eingesetzt, der an die Urgesteinsböden der Wachau erinnert und mit seiner marmorierten Oberfläche nicht nur angenehm, sondern auch im wahrsten Sinn des Wortes besonders bodenständig wirkt. Hier wie auch sonst wurden alle Materialien nach ihrer optimalen Eignung ausgewählt, nicht allein nach ästhetischen oder dekorativen Absichten. Gestalterisch lebt das ganze Objekt vom spannungsgeladenen Spiel der Achsen, Flächen und Linien, fast wie eine begehbare Vektorgrafik.

Eigentümerin: Weingut Josef + Georg Högl GesbR

Entwurf / Planung: Ludescher + Lutz | Architekten