Nach 30 Jahren hatte die alte Aussichtswarte auf dem Seekopf ihren Dienst getan. Die neue wurde als Projekt der Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich realisiert. Das Duo Heep Schillinger entwarf ein Pyramidenturmobjekt im Wald, das einen spannenden Aufstieg und viele Ausblicke bietet.
Vor dreißig Jahren errichtete der Jankerlclub Rossatz auf dem Seekopf eine 11,2 Meter hohe Aussichtswarte. Ein leichtes Holzgerüst, in dem man über drei Stahltreppen und zwei Zwischenpodeste auf eine Aussichtsplattform kam. Der Blick auf die Wachau war großartig, der Turm sehr beliebt. Nach 30 Jahren war sein Ablaufdatum deutlich überschritten. Der Nachfolger sollte etwas Besonderes sein, die Gemeinde Rossatz-Arnsdorf realisierte ihn als Projekt der Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich. Der Neubau sollte fünf Meter höher sein, weil der Wald inzwischen der Aussicht in die Quere gewachsen war, den geladenen Wettbewerb dazu gewann das Duo Heep Schillinger.
Der alte Holzturm war stilistisch von einem Fort aus dem Wilden Westen inspiriert und verströmte pfadfinderischen Abenteuergeist. Er war nicht für die Ewigkeit gemacht. „Wir wollten etwas Neues von gestalterischer Dauer schaffen.“ Die Architektin arbeitet oft mit Produktdesigner Klemens Schillinger zusammen. Die Kombination aus objekthafter und architektonischer Sichtweise erwies sich als überaus fruchtbar. Sie führte zu einem sehr unkonventionellen, skulpturalen, vielansichtigen Turm. Er steht wie ein wunderliches Objekt im Wald, erzählt eine Geschichte und bietet auch beim Aufstieg ein besonderes Erlebnis. „Man geht ja hinauf um etwas zu sehen. Wir fragten uns, wie man diesen Weg anders gestalten könnte, als einfach Treppenläufe übereinander zu stapeln.“
Treppenserpentine
Heep und Schillinger gingen von der verfügbaren Grundfläche von sechs mal sechs Meter aus und schnitten von außen nach innen Treppenlauf für Treppenlauf hintereinander in das Volumen ein, Podestbreitenmeter nach Podestbreitenmeter. So entsteht eine Art Treppenserpentine, die in einer Zick-Zack-Bewegung die 15 Höhenmeter überwindet. Sie erzeugt die Geometrie einer Stufenpyramide. Um möglichst transparent und wetterbeständig zu sein, ist die Tragstruktur ein Stahlgerüst. Ganz oben ist es 15 Meter hoch und zwei Meter breit, mit jedem Treppenlauf abwärts wird es um einen Meter breiter. Zu ebener Erde hat es den Grundriss von sechs mal sechs Meter wieder gefüllt.
Schraubverbindungen statt Schweißnähte
Die Aussichtswarte liegt strategisch günstig im Natura 2000 Gebiet. Der Welterbesteig, der 180 km durch die Wachau führt, der Seegrabenweg und steile Meurer-Steig treffen hier aufeinander. „Dieser Aussichtspunkt ist ein Mekka für Wanderer“, sagt Erich Polz, Bürgermeister von Rossatz-Arnsdorf. „Im Frühjahr bilden sich oft Menschenschlangen.“
Die neue Aussichtswarte verlängerte sie noch. Ihr Bau war nicht einfach, ein LKW brachte die Bauteile auf einer eigens errichteten, provisorischen Baustraße in 671 Meter Meereshöhe auf den Seekopf, dort wurden sie per Kran hochgehoben und zusammengeschraubt, weil man im Wald nicht schweißen darf. Die Ausführungsplanung übernahm Architektin Ursula Knappl, die Zusammenarbeit war bestens, das Fundament im Felsen erwies sich als große Herausforderung.
Perspektivenwechsel
Jedes Treppenpodest zwingt zu einer 180° Drehung und bringt eine neue Perspektive, jede Treppenwange ist mit Lärchenlatten verkleidet. Diese sind unbehandelt und werden mit der Zeit vergrauen. Das passt zum Wald und gibt beim Aufstieg den Blick nicht zur Gänze frei. Man schreitet an den Lärchenlatten entlang und sieht mit jedem Höhenmeter ein wenig mehr Donau zwischen den Bäumen aufblitzen. „Wir wollten den Aufstieg spektakulärer machen, man geht nun an der Skulptur entlang und hat erst von ganz oben ein 360° Panorama“, sagt Heep. Die oberste Plattform erstreckt sich über die gesamte Länge.
Zwei Meter breit, sechs Meter lang, ist sie eher ein Balkon über der Landschaft. An dessen Ende fühlt man sich wie auf einem schwebenden Plateau, das eine wunderbare Aussicht über die Donau bietet, die sich hier liebreizend durch die Wachau windet. I.M.
Eigentümer: Marktgemeinde Rossatz-Arnsdorf
Planung: ARGE Architektin DI Ursula Knappl / Eldine Heep / Klemens Schillinger