Selbst ist die Frau

Sanierung eines alten Brauhauses in Leobendorf

Selbst ist die Frau | Sanierung eines alten Brauhauses in Leobendorf

In der heutigen Zeit ein 500 Jahre altes Brauhaus vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit, der Ökologie und dem Respekt vor der Geschichte des Hauses liebevoll zu restaurieren, ist kein leichtes Unterfangen und eine Herausforderung für jeden der solch ein Projekt in Angriff nehmen möchte.

Mutig dieser Herausforderung gestellt hat sich das Ehepaar Birgit und Stephan Mölls, allen voran Birgit Mölls, die – im wahrsten Sinne des Wortes – Hand angelegt und damit maßgeblich zum Gelingen beigetragen hat.

Nobler Tauschhandel
Im Zuge eines Tauschgeschäftes zwischen dem Urgroßvater des Bauherrn und dem Grafen Wilzcek, den Burgherrn von Kreuzenstein, kam der Vierkanthof der als Brauerei betrieben wurde, in den Besitz der Familie. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude Stützpunkt der russischen Kommandantur und alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde zerstört oder als Heizmaterial verwendet. Für eine Zwischennutzung als Gasthaus hatte man die alten Gemäuer nur notdürftigst renoviert, mit viel Beton, billigen Eisenfenstern und minderwertigem Putz. Vom ehemaligen Charme des Hauses war nicht mehr viel zu erkennen.

In neuem Gewand
„Schon als Kind hab ich davon geträumt, mir dieses Haus einmal herzurichten, aber alle haben uns abgeraten“, erklärt Stephan Mölls. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Architekt Thomas Jedinger wurde eine sinnvolle Lösung überlegt. Der Abriss wäre die ökonomische Variante gewesen. Die emotionale Bindung, der Respekt gegenüber der langjährigen Geschichte und Tradition des Hauses und der Reiz zur behutsamen Restaurierung haben die Eigentümer aber schließlich zur Sanierung des Bestandes bewogen. Ein Großteil der Arbeiten erfolgte dabei mit den eigenen Händen.

Sobald du eine Regenrinne wegmachtst, musst du das ganze Haus herrichten – hat mein Schwiegervater immer gesagt!“, erklärt Birgit Mölls. Sie stammt aus einer Handwerkerfamilie, ist kreativ, handwerklich talentiert und hat vor allem eines: viel Kraft und Durchhaltevermögen. In nur drei Wochen hat sie gemeinsam mit drei Leiharbeitern, die unter ihrer Anleitung arbeiteten, das komplette Haus entkernt, händisch die Böden ausgeschaufelt, Beton abgeschlagen und Schutt im Dumper (Vorderkipper) abtransportiert. Sie weiß, was bei den unterschiedlichen Gewerken alles möglich ist und was nicht, und sie versteht es, kompetent mit Handwerkern zu kommunizieren. Fehlte ihr Fachwissen in einem Bereich, der für die Renovierung wichtig war, ging sie bei Lehmbauspezialist Karl Auer in die Lehre und eignete sich das Wissen kurzerhand an.

Alles „bio“
Es sollten im Haus nur „alte“ und natürliche Materialien verwendet werden. Keine Dampfsperren, Lehm als Innenputz und Bodenbasis, Sumpfkalk außen. Holzkastenfenster wurden einem Muster der Fenster von Schloss Hof nachgebaut. Nicht nur in Bezug auf die Gewährleistung, sondern auch aufgrund der speziellen Technik waren einige dieser Vorgaben eine Herausforderung für die Handwerker. Dank Birgit Mölls Überzeugungsarbeit und nach ihren Anweisungen wurden die Tätigkeiten schließlich erfolgreich umgesetzt.

In einem „Bio“-Haus darf die Wünschelrute nicht fehlen und auch damit weiß Frau Mölls umzugehen. Diesem Hilfsmittel ist es zu verdanken, dass ein historischer „Eiskeller“ unter dem Gebäude entdeckt wurde, jahrelang unbemerkt, zugemauert hinter einer alten Kellerwand. Brauereien nutzten solche Eiskeller zum Kühlen der Lagerkeller, naheliegend also, dass es diesen auch im alten Brauhaus gab. Vom zentralen Eiskeller wurden über die unterirdischen Durchgänge die einzelnen Kellerräume des gesamten Gebäudes gekühlt. Die Älteren unter den Dorfbewohnern erinnern sich noch daran, dass man sich hier früher einmieten und Sachen zum Kühlen lagern konnte – ein einziger großer Kühlschrank für ein ganzes Dorf.

Eigentümer: Birgit und Hans Stephan Mölls

Planung: MJM Architekten Maurer & Partner