LOW-TECH-HAUS

Strohfloh in Murstetten
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STROHFLOH | Low-Tech-Haus in Murstetten

Das Budget war so klein, dass Architekt Juri Troy die Materialkosten minimierte: Holz vom eigenen Forst und Stroh von den Feldern. Er plante ein kompaktes Low-Tech-Haus mit schrägem Dach und Schlafgalerie. Caravan Atelier baute es mit Hingabe und Expertise auf. Nun hockt ein Strohfloh im Schlosspark von Murstetten.

Leicht erhöht ragt die barocke Pfarrkirche über dem Ortskern von Murstetten, wo ein riesiger, verwilderter Garten hinter einer alten Mauer liegt. Hier stand die Goldburg, eines der prächtigsten Schlösser Niederösterreichs, bis Napoleon I. sie 1809 zerstörte. Der Park ist ein Bodendenkmal und sehr romantisch. Ein Bächlein fließt durch, Reste steinerner Statuen liegen im Gras, seit Jahrhunderten ist er in Familienbesitz. Der Bauherr lebt in Wien, 2017 übernahm er den elterlichen Forst in Murstetten, eine Stunde fährt man mit dem Auto dorthin. Eine Übernachtungsmöglichkeit machte Sinn.
Zuerst dachten seine Frau und er an einen Container oder modulare Fertigteile. Dann
kontaktierten sie einige Architekten. Der einzige, der reagierte, war Juri Troy. Das Budget schien zu klein für ein Haus. Dass die Bauherren nur 40 m² Wohnfläche anpeilten, Holz besaßen und dezidiert eine radikale Lösung wollten, änderte die Lage sehr zu ihren Gunsten. „Man musste die Materialkosten minimieren“, so Troy. „Ich dachte sofort an Stroh.“ Von Anfang an war das CaravanAtelier mit an Bord. Dessen Gründer Angelo Ferrara war lang bei Troy im Büro, er weiß, wie man Holzverschnitt minimiert, das Stroh behandeln muss und ist bei der Umsetzung immer auf der Baustelle.

Hundertprozent nachhaltig
So einen faszinierenden Bauplatz wie den Schlosspark findet man selten. Troy positionierte das Haus unweit vom Gartentor so, dass es einen losen Bezug zu den dortigen Nebenbauten hat und doch für sich steht. „Es sitzt fast temporär im Park“, sagt er. Der strohgedämmte Holzbau auf 15 Schraubfundamenten berührt die Wiese nur punktuell, seine Bodenplatte schwebt 30 bis 40 cm über dem Gelände. Sie ist – ebenso wie Wände und Dach – mit Stroh gedämmt.
„Stroh ist ein Abfallstoff des Getreideanbaus, der nicht weiterverarbeitet wird und daher sehr nachhaltig. Sein Primärenergiegehalt ist wesentlich geringer als der anderer umweltfreundlicher Baustoffe“, so Ferrara. Strohballen, mit denen man baut, müssen einen Feuchtigkeitsgehalt von weniger als 14% haben, zwischen 12 und 18 Kilo schwer, und von allen Getreidekörnern befreit sein. Nach sorgfältiger Kontrolle werden die 36 cm x 50 cm x 85 cm großen Ballen kräftig in die Holzrahmen der Wände gedrückt. Die Fassade aus schmalen Fichtenlatten ist jetzt schon ergraut und wunderbar in die Umgebung eingewachsen.

Ungewöhnlicher Baukörper
11,8 Meter lang, 4,9 Meter breit, erstreckt sich das Haus von Norden nach Süden, wo vor der Terrasse das Bächlein rinnt. Man betritt es im Norden über einen Steg, der auf einem Naturstein ruht. Ein Bauer brachte ihn vom Feld. Auch die Terrasse liegt auf solchen Steinen, man kann sie wie eine Zugbrücke hochziehen. „Es ist der perfekte Rückzugsort“, sagt der Bauherr. „Wenn man auf der Terrasse liegt und in den Sternenhimmel schaut, sieht man viel mehr als in Wien.“ Auch, dass es hier so viele Vögel, Fasane und Rehe gibt, war ihm nicht gleich bewusst.
Der Baukörper ist sehr ungewöhnlich. Der Eingangsbereich ist gerade mal 2,20 Meter hoch, ab da erhöht sich die Dachfläche bis zum Dachfirst auf stolze 7 Meter, um dann bis zur Terrasse wieder auf 2,20 Meter abzufallen. „Das Volumen ist optimiert, jede andere Form ginge weniger auf die Funktionen ein“, sagt Troy.
„Der Eingang, die gegenläufige Treppe auf die Galerie, die Tür auf die Terrasse: alles hat die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe.“ Hat man den niedrigen Eingangsbereich mit Bad und WC – auf Bauherrenwunsch getrennt – passiert, findet man sich in einem ungeahnt großzügigen Raum. Die einheitliche Wandverkleidung mit Regalen, die Juri Troy und Angelo Ferrara geplant und letzterer handvermessen gebaut hat, bietet mehr als genug Stauraum.
Die Verglasung zur Terrasse öffnet das Innere zum Park, je drei Fenster pro Seite – drei davon mit Sitznische – holen besonders schöne Ausblicke herein. Vor allem aber ist es der Luftraum, der dem Haus so viel Größe gibt. Die Decke steigt innen bis auf 6,20 Meter an. Dort schlüpft hinter der kompakten Küche, deren Kästen in die Holztreppe auf die Galerie integriert sind, der Schlafplatz unter. Das Kind liebte den Strohfloh, der sogar noch erweiterbar wäre, auf Anhieb.

Eigentümer: Privat
Planung: juri troy architects
Autorin: DI Isabella Marboe
Fotos: Romana Fürnkranz
Drohne: Christoph Bertos