Mit dem Um- und Aufbau eines alten Presshauses haben HERTL.ARCHITEKTEN das historische Gebäude geschickt an die Wohnbedürfnisse heutiger Zeit angepasst. Dabei wurde auf dem alten Erdkeller ein Geschoß aufgesetzt und nach hinten erweitert, wodurch eine Verschmelzung von Alt und Neu erreicht wurde.
Röhrapoint ist ein Weiler in der Gemeinde Pöchlarn, Bezirk Melk, und zählt gerade einmal 33 Einwohnerinnen und Einwohner. Als Weiler wird eine Siedlung bezeichnet, die aus wenigen Gebäuden besteht, wobei keines davon eine zentrale Funktion, wie beispielsweise Kirche oder Gasthaus, innehat. Das charakteristische Erscheinungsbild dieser Siedlungsform wird lediglich von Vierkanthöfen samt dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden, Stadln und Presshäusern geprägt. So kommt es vor, dass am Ende der einzigen Durchzugsstraße in Röhrapoint zwei identische Presshäuser stehen. Diese besondere Eigenheit zu wahren, war eine der wenigen Vorgaben der Bauherrin.
„Das Gebäude soll sich gut in die Umgebung einfügen, keinesfalls ein Flachdach besitzen und auch nicht zu präsent wirken“, erklärt die Bauherrin. Der erste Entwurfsvorschlag des Architekten traf sofort ihren Geschmack. Beinahe unbemerkt wurde auf dem alten Erdkeller ein Geschoß aufgesetzt und im natürlichen Geländeverlauf nach hinten erweitert. Dabei wurde auf ortstypische Materialien, wie ein simples Satteldach mit einem Holzdachstuhl und Ziegeldeckung auf verputzten Ziegelwänden, zurückgegriffen.
Das lang gestreckte Volumen wurde in drei Ebenen abgestuft, wobei sich die Abtreppung der Geländetopografie sanft anpasst. Auf diese Weise folgt das Gebäude dem Hang. Durch die Höhenversetzung der aneinandergereihten Baukörper entstanden Fugen an den Giebelwänden, in die der Architekt Fensteröffnungen integrierte. Diese sorgen für ein abwechslungsreiches Licht- und Schatten-Spiel und eine natürliche Belichtung im Innenraum. Außerdem wird dadurch der Blick nach außen auf den freien Himmel ermöglicht.
Im Einklang mit dem Bestand
Der schlanke Baukörper weist eine lang gestreckte, rechteckige Grundrissform auf. Nur der Eingangsbereich bildet eine kleine Ausnahme. Dieser wird von einem Betonbügel gerahmt, um vor Witterungseinflüssen zu schützen. Auf dieser Ebene befinden sich die Garderobe sowie das Schlafzimmer samt Sanitäreinheit. Geht man den Verlauf des Hauses 5 Stufen nach oben, gelangt man zum Wohnzimmer und weiter zur Küche. Spätestens hier wird einem die imposante Raumhöhe bewusst. Lichtdurchflutete Räume, helle sowie schlichte Oberflächen in Kombination mit warmen Materialien prägen die Innenräume. Der geschliffene Betonboden zieht sich konsequent durch das gesamte Gebäude. Die Couch steht zentral im Raum und ist so ausgerichtet, dass man auf beiden Seiten sitzen kann, wobei eine Seite zum Fernseher gedreht ist und die andere einen Ausblick auf den Garten bietet. Weitere 7 Stufen trennen das Wohnzimmer vom Esszimmer samt Küche. Auf die Tiefe der Treppe wurde eine gemütliche Sitznische eingebaut, die zugleich eine Absturzsicherung bietet. Oben angelangt, überblickt man den Wohnraum. Von dort aus gelangt man auf die überdachte Terrasse und in den Außenbereich. Bei Schönwetter lassen sich die großzügigen Terrassentüren beiseiteschieben, wodurch der fließende und schwellenlose Übergang zum grünen Garten spürbar wird.
Weniger ist mehr
Stauraum wird in maßgefertigten Schränken geschaffen, die beinahe unbemerkt in den Wänden verschwinden. Gleiches gilt für die Innentüren und auch für die Türdrücker, die flächenbündig eingebaut wurden. Passend zum Rest des Wohnhauses, sind auch die Sanitärbereiche schlicht gestaltet. Wie ein roter Faden zieht sich der minimalistische Stil der Bauherrin durch das gesamte Wohnhaus und schafft so eine harmonische Verbindung zwischen Funktionalität und ästhetischem Anspruch. Eine gelungene schlichte Erweiterung des bestehenden Presshauses
Eigentümer: Privat
Planung: HERTL.ARCHITEKTEN ZT GmbH
Autorin: DI Barbara Reiberger
Fotos: Wolfgang Spekner