VIRTUELLE RÄUME | Teil 2

WERDEN REAL DURCH 3-D-DRUCK
Gradient Fauteuil 11
Filmstudio 1

Der Einsatz industrieller 3D-Drucker könnte die Methode des traditionellen Hausbaus revolutionieren.

Die jüngsten Entwicklungen im Bereich virtueller Räume und der virtuellen Realität (VR) strahlen insbesondere Richtung Architektur und Design. Neue digitale Techniken und Werkzeuge ermöglichen neue Gestaltungsmöglichkeiten und haben großen Einfluss auf die Arbeitswelt und kreative Prozesse. Obwohl die technologische Weiterentwicklung das Baugewerbe in den letzten 200 Jahren verändert hat, so ist ein Schlüsselelement gleich geblieben: der Mensch. Selbst an den modernsten Baumaschinen waren immer Menschen nötig, um diese zu steuern. Das wird sich aller Voraussicht nach in Zukunft ändern. Denn seit einigen Jahren denken Startups und eingesessene Baukonzerne das Prinzip Bauen neu.

Industrielle 3D-Drucker sind heutzutage in der Lage, auf Basis von 3D-Modellen Betonmischungen zu extrudieren und mittlerweile auch größere Objekte zu drucken – bis hin zu ganzen Häusern, die in nur wenigen Tagen selbstständig errichtet werden. Die Technologie dafür wird 3D Construction Printing (3DCP) genannt und wird zum Bau von XL Strukturen verwendet. Mit 3D-Druck erreichen spezialisierte Unternehmen Geschwindigkeiten, die um ein vielfaches schneller als herkömmliche Bauverfahren sind.

Futuristisches Design für die echte Welt
Die neuen Fertigungsmethoden werden nicht nur von Architekturschaffenden ausgelotet. Auch Designerinnen und Designern wie Philipp Aduatz, definieren mit ihren Entwürfen die Grenzen zwischen Kunst und Funktionalität immer weiter. „Der virtuelle Raum ändert die Bedingungen beim Gestalten, da weder Umwelteinflüsse noch Fertigung berücksichtigt werden müssen“, erklärt Aduatz im Gespräch mit NÖ GESTALTE(N). „Hier übernimmt die Ästhetik die zentrale Rolle. Ich kann mir die verrücktesten Dinge und Objekte ausdenken, die ich im echten Leben gar nicht herstellen könnte. Zum Beispiel einen Sessel, der jeden, der sich draufsetzt, auffrisst. Das ist der Reiz am Digitalen“.

Mit den gleichen digitalen Werkzeugen entwickelt und gestaltet er aber auch Objekte für die echte Welt. So entstand eine preisgekrönte Kollektion aus Gegenständen, die mittels 3D-Betondruck gefertigt wurden. Mit derselben originellen Verarbeitungstechnik entstand auch in Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Dominik Freynschlag und dem 3D-Betondruck-Hersteller Incremental3d im Auftrag von Casinos Austria und den Österreichischen Lotterien ein 3D-gedrucktes Filmstudio das in 60 Einzelstücke zerlegt werden kann. Die über zwei Meter hohen Wandelemente verfügen über vorgefertigte Fugen, in denen passgenaue LED Elemente eingelassen sind, die ein atmosphärisches Farbenspiel ermöglichen und die Unebenheiten der Oberfläche hervorheben.

Steckbrief | Philipp Aduatz, Designer
Studierte Industrial Design an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und schloss dort 2012 auch das Doktoratsstudium ab. Seit 2007 stellt er limitierte Auflagen seiner Objekte her, die bereits in etlichen internationalen Ausstellungen, Magazinen und Wettbewerben Anerkennung fanden. Letztes Jahr erhielt Aduatz für seine Kollektion aus 3D-gedruckten Betonobjekten einen Preis bei den „International Architecture & Design Awards“. 

Seit 2016 unterrichtet und forscht Philipp Aduatz an der New Design University in St. Pölten unter anderem in den Bereichen angewandte Werkstoffwissenschaft sowie Materialforschung und -entwicklung.
Der junge Designer, der von Anbeginn an mit 3D-Programmen arbeitet, sieht die Nachhaltigkeit von Objekten in der virtuellen Realität (VR) aber auch kritisch: „Wenn ich als Kreativer etwas schaffen will, was Bestand haben soll, frage ich mich, ob das in der virtuellen Realität auch einmal möglich sein wird. Oder ob dort nicht in Wahrheit alles vergänglich ist.“


Schneller = billiger
Was kosten Häuser im 3D-Druck?
Die Frage, ob Gebäude im 3D-Druck günstiger als im konventionellen Hausbau sind, kann definitiv bejaht werden. Manche Expertinnen und Experten kalkulieren das Einsparungspotenzial mit bis zu 60 % – genaue Preise variieren jedoch von Hersteller zu Hersteller. Mit einem 3D-Betondrucker entsteht der Rohbau eines Hauses – je nach der Grundfläche – in nur 1-3 Tagen, im Gegensatz zu Wochen bis Monaten im herkömmlichen Bauverfahren. Die Isolierung wird meist ebenfalls mittels 3D-Drucker in Form einer Polyurethan-Sprühdämmung in die Hohlräume der Wände eingebracht.
Der Faktor Zeit wirkt sich bei den steigenden Gehältern und Aufwendungen für Baumaschinen-Leasing enorm auf den Baupreis aus. Das schnellste 3D-gedruckte Haus (46 m2 von ICON) war theoretisch noch am selben Tag des Projektbeginns bezugsfertig. Nachdem sich nahezu alle Geometrien drucken lassen, eröffnen die neuen Technologien Architekturschaffenden neue Gestaltungsmöglichkeiten.


 

Autor: Boris Hauenfels
Fotos: Paris Tsitsos, Georg Molterer