VIRTUELLE RÄUME | Teil 4

ERWEITERTE REALITÄT
Prof Reiner Fotocredit IMC Krems (5)
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Bereits 1968 entwickelte Ivan Sutherland eine der ersten VR-Brillen überhaupt, eine Konstruktion, die aufgrund von seinem schweren Gewicht von der Decke hängen musste, das „Damoklesschwert“.  Nun, 52 Jahre später, ist es dank neuer Technologien in der Architektur möglich, in virtuelle Welten einzutauchen. Doch das wahre Potenzial von „erweiterter Realität“ ist noch längst nicht ausgeschöpft.

„Was die Architektur im Moment mit VR in die Praxis umsetzt, ist, die Gebäude aufzuhübschen. Als Verkaufsargument sind solche Visualisierungen wirkungsvoll, und funktionieren auch. Viel interessanter wäre jedoch, das Gebäude auf Leute wirken zu lassen, und zwar auch jene, die sonst nichts damit zu tun hätten“, erklärt Michael Reiner, Professor am Institut für Digitalisierung und Informatik an der IMC Krems University of Applied Sciences. Er leitet seit 2016 das dort ansässige VRL ab und erforscht die Anwendungsmöglichkeiten und Problemstellungen von Virtual und Augmented Reality.

Räume erfahrbar zu machen, kommt auch im Kunst- und Kulturbereich zur Anwendung. In einem Projekt mit der Kunstmeile Krems wurden virtuelle Ausstellungen ermöglicht, weniger um Kunst in realer Umgebung zu ersetzen, sondern vielmehr, um jungen Kuratorinnen und Kuratoren zu zeigen, wie ihre Ausstellungen wirken. „Erfahrene Kuratorinnen und Kuratoren schieben Schnipsel auf dem Papier herum und wissen, wie ihre Ausstellung aussehen wird. Junge tun sich da noch eher schwer und wir haben ihnen dafür virtuelle Umgebungen zur Verfügung gestellt. Dort konnte man mit einer VR Brille bestimmte Objekte aus einem Katalog auswählen und an die Wand hängen oder im Raum aufstellen“, führt Michael Reiner aus.

Er ist der Kremser „Knotenpunktmanager“ für das „Haus der Digitalisierung“, ein Leuchtturmprojekt des Landes Niederösterreich, welches die ecoplus Digital GmbH realisiert hat. Die 2018 etablierte professionelle Vernetzung wurde gegründet, um Entwicklungen im digitalen Bereich in Niederösterreich zu fördern. Eingebettet in dieses Projekt wurde im Dezember 2022 das von Kronaus Mitterer Architekten geplante Haus der Digitalisierung eröffnet. Dieses Gebäude erhielt bereits vor der tatsächlichen Errichtung unter der Leitung von Prof. Reiner einen „digitalen Zwilling“, welcher besichtigt werden konnte. „Jemanden durch ein Gebäude durchgehen zu lassen, ist relativ einfach“, führt er aus. Erst wenn eine Interaktion stattfinden solle, stelle das eine Herausforderung für die Gestaltung eines virtuellen Raumes dar. Diese müsse möglichst realistisch sein, um der Nutzerin oder dem Nutzer das Gefühl der Immersion zu erleichtern. Banale Dinge, wie die Wechselwirkung zwischen einem Tisch und einem Sessel und wie man die beiden anfassen und verschieben kann, spielen zum Beispiel auch bei digitalen Trainingsumgebungen eine essenzielle Rolle. Viele Studien zeigten, dass das genaue Greifen und Verwenden von Werkzeugen für die Anwender die Realität ausmacht. Die Höhe der Bildauflösung hätte im Gegenzug keine Wirkung auf das Lernen gehabt, fährt Prof. Reiner fort, ebenso wenig habe diese Einfluss auf das Phänomen der „Motion Sickness“, also Übelkeit in VR. Wenn das, was der Kopf wahrnimmt, nicht mit dem zusammenpasst, was das Innenohr wahrnimmt, entsteht ein Gefühl von Nausea. Das passiert auch öfters beim Tragen einer VR-Brille. Dass der Kopf gedreht wird und das Bild nachzieht, wurde auch als extrem störend empfunden und wäre vor Allem bei billigen VR-Brillen der Fall, zeigt Prof. Reiner auf.

Abseits der technischen Feinheiten weise Virtual Reality ganz grundsätzlich Möglichkeiten auf, die in der Architektur nutzbar gemacht werden können. Spricht man einerseits über die Realisierung eines bereits geplanten Gebäudes, wie sie bereits heute häufig in die Praxis umgesetzt wird, so biete sich gleichzeitig an, diese Realisierung bereits in der Planung mit einzubauen. „Hier können wir Daten sammeln und uns fragen: Wie sehen unterschiedliche Böden oder Farben aus, wie nimmt das jemand mit einer Rot-Grün-Blindheit wahr, wie fällt das Licht, brauchen wir mehr Fenster oder weniger? Das Gebäude noch bei der Planung um 5 Grad zu drehen, ist einfacher als nachher“ schließt der VR-Experte der IMC Krems University of Applied Sciences ab. Betriebe können sich mit konkreten Anliegen an ihn als Knotenpunktmanager für das Haus der Digitalisierung wenden: ganz real und mit Aussicht auf neue Perspektiven.

https://www.fh-krems.ac.at/forschung/department-of-science-and-technology/institut-digitalisierung-und-informatik/#ueberblick

Autor: Boris Hauenfels