EIN WEHRTURM WIRD WOHNLICH

Zwei Apartments für Urlaubswillige in Leiben
Leiben Turm WS 19
Leiben Turm WS 30

EIN WEHRTURM WIRD WOHNLICH | Zwei Apartments für Urlaubswillige

Die Bauherrin erbte einen wuchtigen, denkmalgeschützten Batterieturm, der in den 1970ern umgebaut und seither leer gestanden war. Architekt Ernst Pfaffeneder ergänzte ihn mit leichten Holzeinbauten um Schlaf- und Sanitäreinheiten. So entstanden zwei Wohnungen für Urlaubswillige mit unterschiedlichem Charakter.

Sie muss wohl sehr exzentrisch gewesen sein, schon ihr Vorname verriet es: Mechthildis, die Mutter der heutigen Bauherrin. Die Familie lebt in Leiben im südlichen Waldviertel. Um 1113 begannen die Ritter von Leyben mit dem Bau des dortigen Schlosses, 1617-1659 kamen die Ecktürme dazu. Der wuchtige Batterieturm, der das Schloss überragt, stammt aus der Zeit um 1450.

Ursprünglich bestand der Wunsch im Wehrturm zu wohnen. Der damalige Eigentürmer, die Bundesforste, wollte das Schloss und die Burg aber nur gemeinsam verkaufen. Sieben Jahre Hartnäckigkeit und der Turm war ihrer. Das war in den 1970er Jahren, mit dem Sanctus des Bundesdenkmalamts baute man ihn romantisierend aus. Auf drei Seiten legt sich ein Sockelbauwerk mit Garage, Nebenräumen, Treppen und großem Terrassenplateau um den Turm. Im Westen führt eine Rampe als steinerne Freitreppe zum Eingang, im Osten eine Außentreppe ins Untergeschoß, wo eine Betondecke für das geplante Schwimmbad eingezogen war. Rückseitig – zum Schloss hin – verlief der Burggraben, dort sind die meisten Fenster angeordnet und oben kragt ein kleiner Balkon aus der Wand.

Nachdem Mechthildis den Turm bauen ließ, erkrankte ihr Mann; so blieb dieser unbewohnt und diente sporadisch als Party-Location.

Ritterliches Erbe
Nicht jeder erbt einen mittelalterlichen Wehrturm. „Das Schwierigste war die Entscheidung, was ich damit tun soll“, sagt die heutige Eigentümerin. Behalten, sanieren oder verkaufen?

Als ihr Sohn, ein Gastronom, coronabedingt seinen Betrieb unterbrechen musste, beschloss er, sie als Bauherr zu unterstützen. Touristisches Wohnen schien eine gute Nutzung, Architekt Ernst Pfaffeneder sollte zwei Apartments einbauen. Der etwa 21 Meter hohe, denkmalgeschützte Wehrturm ist aus Feldsteinen gebaut und steht auf festem Fundament: Seine Kellermauern sind bis zu 2,20 Meter dick, sein Grundriss ist hufeisenförmig, an die 10,5 Meter breit, 11,5 Meter tief, die Rundung im Westen, der geradlinige Abschluss im Osten beim Burggraben.

Pfaffeneder hat viel Erfahrung mit historischer Bausubstanz und eine klare Strategie: „Möglichst wenig angreifen und alles Neue ablesbar machen.“ Die Mauern blieben unangetastet, wo nötig, wurden sie geflickt. Auch die 1970er Jahre prägten diesen Turm, verunklärten aber auch vieles. Nachträglich gemauerte Zwischenwände wurden entfernt, alle neuen Küchen, Schlaf- und Sanitärräume sind als leichte Holzbauten eingestellt und die Böden neu: geschliffener Beton für die Küchen, Terrazzofliesen für die Bäder, Holzbeläge zum Schlafen und Wohnen. Der Estrich ist fußbodenbeheizt, für die Ringkollektoren der Erdwärme musste der ganze ehemalige Turnierplatz aufgegraben werden.

Prioritäten setzen
Die Terrasse, Außen- und Innentreppen mit ihren schmiedeeisernen Geländern, sowie einige Öffnungen der 1970er blieben. Die betongewordenen Relikte des Schwimmbades aber mussten weg, „vierzehn Tage lang haben drei Arbeiter nichts anderes gemacht als gestemmt“, erinnert sich Pfaffeneder. Dann war der Weg frei für die leichte, neue Holztramdecke im unteren Gästeapartment. Dort sitzt man nun auf der Galerie dicht unter einem weiß gekalkten Kreuzrippengewölbe mit barocken Stuckaturen und blickt durch das kleine Oval und die zwei Fenster unterm Gewölbebogen in dichtes Blattwerk. Die optimierte Küchenzeile mit Essplatz hat einen direkten Ausgang ins Freie, eine leichte, bronzefarben lackierte Holzständerwand trennt die anschließende Schlaf- und Badezimmereinheit ab. Das Innere war ein handverlesenes Sammelsurium historischer Fundstücke von Flohmärkten und Altwarenhändlern. Der einstige Altar der Lehener Pfarrkirche samt Speisgitter zum Kommunionsempfang, Kachelöfen, Ritterstühle, Bretterböden, Terrakottafliesen und mehr ließen sich da finden. „Wichtig war auch, wie sich Bestehendes einbetten lässt“, sagt Pfaffeneder. Im oberen Apartment mutierte der ehemalige Altar zum freistehenden Herd in der Wohnküche, über der die bronzefarben verkleidete Bad- und Schlafzimmerbox in den Luftraum ragt. Durch einen schmalen Fensterschlitz sieht man hinunter, die mittelalterlichen Mauern bleiben spürbar. Auch im Turmzimmer gibt es so eine blattgoldene Trennwand. Davor breitet ein Raum mit fünf Fenstern an tiefen, trichterförmigen Nischen seine Flügel in die Landschaft aus. Die Wohnungen sind gut gebucht. Das belebt auch den Ort.

Eigentümer: Privat
Planung: Architekt DI Ernst Pfaffeneder
Autorin: DI Isabella Morboe
Fotos: Wolfgang Spekner