Weiternutzung im Strukturwandel

Umbau Vierkanthof in Stephanshart

Weiternutzung im Strukturwandel – Umbau Vierkanthofes in Stephanshart

In Stephanshart befindet sich einer jener zahlreichen Vierkanthöfe, denen ihre einstige Funktion abhandengekommen ist. Einst wurde er so geplant, wie man ihn brauchte, mit viel Platz für landwirtschaftliche Arbeiten, Erntegut und Maschinen.

Viele damalige Aufgaben sind inzwischen weggefallen. Dafür gibt es jetzt hier eine Schafzucht, die aber nicht alle vorhandenen Bereiche benötigt. Als typisches Stück der Mostviertler Baukultur ist der Vierkanthof bauhistorisch erhaltenswert und wesentlicher Teil jener anonymen Architektur, die aus der einstigen Arbeitswelt heraus entstanden ist und bis heute weithin sichtbar das Orts- und Landschaftsbild prägt.

Adaption braucht Interpretation
Aber was kann man mit einem Vierkanter dieser Größe machen, wenn man ihn nicht mehr in der ursprünglichen Weise nutzt? Man adaptiert ihn, und zwar nicht nur mit ein paar neuen Installationen, sondern durch eine grundlegend neue Interpretation der vorhandenen Räume. Der Architekt steht dann vor der Aufgabe, die verschiedenen Nutzungsbereiche aus dem Vorhandenen herauszuarbeiten. Er arbeitet anders, als wenn er jeden Raum neu entstehen lassen kann.

Gut integriert – durch klare Trennung
In diesem Fall ergab es sich, dass ein Sohn der Familie eine Praxis für Osteopathie und Physiotherapie eröffnen wollte. Platz genug war ja vorhanden – die Herausforderung lag eher darin, diese Bereiche sinnvoll von der Schafzucht abzugrenzen. Weder sollte sich den Besuchern der Praxis die Innenansicht eines Bauernhofs eröffnen, noch sollten ihre Fenster den Blick in die Praxis freigeben. Deshalb wurde hier mit satiniertem Glas gearbeitet – ein Detail, das die klare Trennung der Bereiche erst ermöglicht hat.

Naturnahe Bauweise
Dem Bauherrn war wichtig, baubiologisch gut und verträglich vorzugehen, auf einem hohen ökologischen Standard. Daher wurde mit naturnahen Materialien gedämmt: Zellulosefasern und Hanfplatten. Die Holzoberflächen wurden mit Leinöl behandelt, was einerseits traditionell und andererseits naturverträglich ist. Das hohe Naturbewusstsein bei der Planung zeigt sich heute in der Innengestaltung mit viel Holz und auch in den freigelegten Dachbalken, die in diesem großen Trainingsraum authentisch vermitteln, in welcher Architektur man sich hier befindet. Dadurch wirkt dieser Bereich auch sehr viel offener und freier – mit einer eingezogenen Zwischendecke wäre es einfach „nur ein Raum“ geworden.

Vorteilhafte Lichtsituation
Zu dieser Offenheit trägt auch der Umstand bei, dass fast überall das Licht von mehreren Seiten kommt. Hierfür wurden keine neuen Fensteröffnungen benötigt. Die Bodenständigkeit des Konzepts zeigt sich in der Verwendung von Eiche in ihrer natürlichen Farbe, auch als Boden. Lediglich im Eingangsbereich wurde aus Gründen der Zweckmäßigkeit mit Keramik gearbeitet.

Zeitgemäß und doch authentisch
Dem Planer war es wichtig, mit dem Bauerbe des Vierkanthofs respektvoll umzugehen. Obwohl er zeitgemäßer wurde, behielt er seinen authentischen Charakter bei – auch deshalb, weil Einfachheit hier als Gestaltungsmerkmal eingesetzt und deshalb immer mit den Eigenfarben des Materials gearbeitet wurde. Daher findet sich in den verschiedenen Praxisbereichen kaum mehr als dass Weiß der Wände, das Hellbraun des Eichenholzes und der eine oder andere grüne Akzent wieder. Auch die Beleuchtungskörper sind sehr zurückhaltend. Das wirkt schon optisch ungemein wohltuend: Nichts lenkt ab, hier kann man sich richtig fokussieren.

Gelungene Nachnutzung
Die straßenseitig angelegte Praxis besteht aus der Rezeption, einem Behandlungs- und dem großen Trainingsraum. Durch die geschickte Neuplanung eines Teilbereichs dieses Hofs betritt man einen sauber abgezirkelten und großzügig bemessenen physiotherapeutischen Bereich, an dem nur noch die vererbte Architektur daran erinnert, dass er einmal ein Stück Bauernhof war. Diese niederschwellige, behutsame Neuinterpretation von Funktionsräumen, die ihre einstige Funktion verloren haben, gehört zum Wichtigsten, was gute Architektur heute leisten kann, denn gute Nachnutzung löst gleich zwei Aufgaben auf einmal: Sie gibt alten Bauten neuen Sinn und sie ermöglicht benötigten Raum.

Eigentümer: Karl Hörlesberger

Planung: Architekt DI Hans Zeiner