Wohnen über dem Fluss

in Waidhofen an der Ybbs

UMGENUTZT STATT UNGENUTZT | von Lehrwerkstätten zum modernen Wohnhaus

Nach 70 Jahren ihres Bestehens wurde die Forstfachschule in Waidhofen an der Ybbs 2018 abgesiedelt. Ihr ehemaliges Werkstattgebäude bauten die w 30 Architekten nun zu einem Wohnhaus mit sieben Einheiten in bester Stadtlage am Ufer der Ybbs um.

Pittoresk ragt der Turm von Schloss Rothschild in den Himmel über Waidhofen an der Ybbs, 2007 verpasste ihm Architekt Hans Hollein, Österreichs einziger Pritzker-Preisträger anlässlich der niederösterreichischen Landessaustellung einen gläsernen Quader.

1875 hatte Albert Freiherr von Rothschild das Schloss mit den Forstverwaltungen Waidhofen, Hollenstein, Göstling, Gaming und Langau erworben, 1938 enteigneten und arisierten die Nationalsozialisten das Schloss, 1946 wurde es restituiert. Unter der Auflage, eine Stiftung für Forstbedienstete zu gründen, überließ es Baron Louis von Rothschild der Republik. So wurde es zur Forstfachschule. Seit 2002 gehört das Schloss der Stadt, es ist heute Museum, Stadtarchiv, Bibliothek, Tourismusbüro, Veranstaltungsort. Die Forstfachschule wanderte in das Kolpinghaus, in den 1980er Jahren baute man ein Werkstättengebäude in der Hintergasse 7. Deren ungerade Hausnummern stehen mit einem Fuß auf der Uferböschung der Ybbs.

Schlummerndes Potenzial
Seit der Übersiedlung der Forstfachschule in das „Forstliche Bildungszentrum“ in Traunkirchen standen die Werkstätten leer. Sie sind als zweistöckiges Doppelhaus mit Krüppelwalmdach konzipiert, das über die Stiege in der Mitte verbunden ist. Je eine Werkstatt pro Haushälfte und Geschoß, im Keller gab es Umkleide und Duschen. Dunkelbraun lackiertes Holz bei Giebeln und Fenstern ließen das Haus sehr behäbig wirken. Im Westen bildet die alte Stadtmauer die Grenze zur Gasse, unter einem Flugdach parkten hier die Lehrer. Uferseitig umrahmt der zinnenartige Verlauf der Stadtmauer das Grundstück. „Das Objekt gehörte der Stadt, seine malerische Lage war prädestiniert für hochwertigen Wohnbau“, erklärt Dr. Johannes Kühhas, Geschäftsführer der stadteigenen EGW-Energiegesellschaft Waidhofen Ybbs GmbH. Diese wurde gegründet, um das Wasserkraftwerk zu bauen und schafft nun Wohnraum in der Stadt. Eine wichtige Maßnahme gegen Leerstand. Bewusst gesetzte Eingriffe
w30 Architektur aus Waidhofen planten den Umbau. „Wir griffen möglichst wenig in den Bestand ein, damit wir das Budget optimal für wichtige Verbesserungen nutzen können“, erklärt Architektin Maria Schneider. Das alte Stiegenhaus, das Dach und alle tragenden Wände blieben, auch das robuste Industrieparkett der Werkstätten musste man nur schleifen. Dafür gibt es nun neue Holzfenster und jede Wohnung hat einen Ausgang auf Terrasse oder Balkon. Ein neuer Lift im Gang bringt Barrierefreiheit. Die Architekten nahmen dem Bestand die dunklen Holzverkleidungen, sein neuer ockerbeigefarbener Isolierputz harmoniert nun mit der Stadt und dem Holz der Fenster.
Das Haus wirkt angenehm entschlackt. Die ursprüngliche Nutzung – je eine Werkstatt rechts und links der zentralen Stiege – eignete sich sehr gut für den Umbau. w30 konnten mit ein paar Zwischenwänden sieben neue, sehr kompakte Ein – oder Zweizimmerwohnungen zwischen 50 m²und 70 m² schaffen.

„Was die Wohnungen hier so speziell macht, ist die Ybbs-Schlucht. Man hat einen spektakulären Blick auf den Stadtfelsen“, so Schneider. Alle Öffnungen sind sehr bewusst gesetzt. Ein schmales, vertikales Fenster in der westlichen Erdgeschoßwohnung sorgt dafür, dass man die Kirche am Sonntagberg noch sieht. Ihrem Pendant in der östlichen Haushälfte wurde ein kleiner, mittelalterlicher Befestigungsturm zugeschlagen, der nicht unter Denkmalschutz stand. Auch ihre große Terrasse ist von mittelalterlichem Stadtmauerwerk eingefasst. Drei der vier Wohnungen im ersten Stock sind Maisonetten mit einer kleinen Galerie unter der Dachschräge.
Für eine zweite Bauphase schlugen w 30 Architekten einen schmalen Riegel neben einem über dem Garagendach aufgeständerten, schlichten, holzverkleideten Neubau vor. Das war nicht Gegenstand des Wettbewerbs, zeigt aber, wie sich hier weiter verdichten ließe.

Eigentümer: Energiegesellschaft Waidhofen/Ybbs GmbH

Planung: w30 Bauplanung & Innenarchitektur GmbH