Gerasdorf ist ein lang gestrecktes Angerdorf am westlichen Rande des Marchfeldes. Bei dieser Siedlungsform sind die Häuser und Gehöfte rund um einen zentralen Platz angeordnet, den sogenannten Anger. Dieser zählt zur öffentlichen Fläche der Dorfgemeinschaft. Im zentralen Kern von Gerasdorf ist diese Form dörflicher Ortsstruktur noch weitgehend erhalten. Eine geschlossene Bebauung und eingeschoßige Zwerchhöfe mit teilweise modernisierten Fassaden zählen zu den charakteristischen Merkmalen. Dabei stellen die beiden „Hintausgassen“ mit ihren markanten Scheunenreihen eine baukulturelle Besonderheit im Ort dar. Sie verlaufen in nordsüdlicher Richtung, sind jeweils zum Anger versetzt und bilden den Übergang zu Feldern und Wiesen. Bei diesen lang gestreckten Grundstücken war üblicherweise an der Angerstraße das Wohnhaus mit Stall situiert, wohingegen „hintaus“, Richtung Feld, die Nebengebäude samt Scheunen standen. Das Beibehalten dieser typischen Abfolge trifft auch im Neubauprojekt zu. Diese bewusste Kontinuität zwischen Altem und Neuem ist auf das Grundstück mit Scheunen und Feldern zurückzuführen, da es sich seit mehreren Generationen im Familienbesitz befindet.

Der Bruch fand in der Ausführung landwirtschaftlicher Tätigkeit statt, da die junge Generation dieser nicht mehr nachgeht. Mitunter ein Grund, weshalb der Hof den heutigen Bedürfnissen angepasst wurde. Von den veralteten Gemäuern, die zugleich die Grundform des L-förmigen Grundrisses vorgeben, wurden die Kellerwände wiederverwendet. Somit konnte die ursprüngliche Hofform samt geschlossener Bebauung wiederaufgenommen werden. Zur Straße hin gibt sich das neue „Wohnensemble“ als schlichter Neubau mit Holzverkleidung. Anstelle des alten Stallgebäudes wurde ein von außen zugängliches Nebengebäude und eine Pergola als witterungsgeschützter Sitzbereich im Freien errichtet.

Großzügiges Raumerlebnis
Das Haus verfügt über zwei Obergeschoße, wovon der großzügige Wohnbereich samt Galerie, die sich über die doppelte Raumhöhe erstreckt, profitiert. Betritt man das Gebäude, erreicht man einen lichtdurchfluteten Raum mit direktem Blick in den Innenhof. Zudem ist dieser Bereich durch eine Bibliothek und eine Treppe, über die man die Schlafräume im Dachgeschoß erreicht, geprägt. Eine schlichte Architektursprache mit hohen Raumqualitäten und minimalistischen Details war für die Jungfamilie wichtig. Im Erdgeschoß bildet der Kamin den Mittelpunkt des Hauses. Die integrierte Bank am Kamin, mit Blick Richtung Innenhof, ist einer der Lieblingsplätze der Kinder.

Auch die Bauherren verweilen hier gerne. Großer Wert wurde auf das offene Raumkonzept gelegt. Wohn- und Essbereich sind durch ein offenes Regal in zwei Bereiche zoniert. Die Küche samt Kochinsel ist geschickt gelegen, sodass man alles im Überblick behält. Von jeder Ecke des Wohnraumes aus ist der Bezug zum ruhigen Innenhof spürbar. Insbesondere im Sommer, wenn die großen Glasschiebetüren offen bleiben.

Traditionelle Materialien
Der Neubau wurde in Massivholzbauweise errichtet, wobei auf traditionelle Werkstoffe zurückgegriffen wurde. Sowohl Außen- als auch Innenwände, Geschoßdecken, Flach- und Steildach wurden in derselben Bauweise errichtet. Lediglich die erdberührenden Bauteile wurden in Stahlbeton ausgeführt. Die verwendeten Materialien überzeugen durch hohe Stabilität und Tragfähigkeit bei geringem Eigengewicht. Zudem sorgt das Baumaterial Holz für ein natürliches Raumklima. Massive Vollholzwände und -decken können Raumfeuchtigkeit aufnehmen und regulieren das Innenraumklima. Die notwendige Energieeffizienz wird durch eine optimale Wärmedämmung erzielt. In Verbindung mit den Solarpaneelen am Dach werden zudem die Energiekosten niedrig gehalten. Für die Familie ist das Wohnhaus ein Zufluchtsort, der im Kontrast zum hektischen Leben in der Großstadt steht. Klein, aber fein, etwas schräg, aber gefühlt großzügig, ganz nach ihren Vorstellungen.  B.R.