Wohnhaus in Mannersdorf

Mehr als ein Teil des Ganzen

ZWISCHEN STRASSE UND HOF | Mehr als ein Teil des Ganzen

Mit viel Feingefühl setzten die Architekten Mönkemöller und Kreppel einen Neubau in das Gefüge der Hauptstraße von Mannersdorf. Auch Traktor, Zufahrt und Friseur konnten bleiben. Den Bauherren schenkt ihr neues Haus einen versteckten Garten im ersten Stock.

Mannersdorf am Leithagebirge ist ein typisches Straßendorf, wie es nur noch wenige gibt. Auffallend lange, tiefe Parzellen prägen den Ort. Die meisten Hausfassaden bestehen aus einer zentralen Toreinfahrt, rechts und links je ein Fenster, dahinter rahmt je ein schmales Gebäude die langen Höfe, die sich bis zu den Landwirtschaften hinziehen. Alle Häuser sind einander ähnlich, gemeinsam bilden sie den Charakter der Stadtgemeinde. „Die Straße ist so etwas wie ein öffentlicher Innenraum, der von den Außenwänden der Häuser gefasst wird“, sagt Architektin Anja Mönkemöller vom Büro Mönkemöller und Kreppel. „Sie zu respektieren, finde ich sehr wichtig.“

Der Bauherr kommt aus Mannersdorf, er hat eines dieser Grundstücke geerbt. 13 Meter breit, an die 65 Meter tief, erstreckt es sich von der Hauptstraße im Nordwesten bis zum Stadl im Südosten. Die Uroma der Bauherrin hatte einen ähnlichen Streckhof, die verborgene Welt hinter dem großen, braunen Tor begeisterte sie gleich, die beiden beschlossen ihren Umzug aufs Land. An der südwestlichen Grundgrenze, links vom 2,50 Meter breiten Asphaltweg zieht sich eine Reihe weißer Nebengebäude mit grünen Toren und roten Satteldächern lang, schmal und idyllisch bis zum Stadl. Gegenüber im Nordosten lehnte sich ein Hochbeet mit Pflanzen an die alte, gekalkte Mauer.

Freie Fahrt
Die Bauherren wollten den Bestand erhalten und kontaktierten die Architekten Mönkemöller und Kreppel. Doch das Wohnhaus war hoffnungslos mit dem Nachbargebäude verflochten, sein Gewölbe stand auf dessen Fundament. „Wir hätten es Stein für Stein wiederaufbauen müssen“, sagt Mönkemöller. Man schüttete den Keller zu und baute neu. Der Vater des Bauherrn nutzte den Stadl als Garage für seinen Traktor, er wollte auch weiterhin damit auf die Hauptstraße fahren. Die Zufahrt musste also frei bleiben. Außerdem befand sich links davon ein Friseur. Der Laden brummt, die Friseurin war glücklich mit dem Standort, Bauherren und Gemeinde glücklich mit ihr, das Geschäft belebt die Straße. Der Neubau konnte nur rechts und links vom Tor aufsetzen, der Friseurbetrieb musste aufrecht bleiben. „Es war ein richtiges Puzzle“, sagt Mönkemöller. Bis auf den Laden, der unter einem Notdach weiterlief, riss man alles ab und begann dann gegenüber mit dem Bau des neuen Geschäfts. Doppelt so groß, rechts von der Einfahrt. Sobald es fertig war, begann der Bau des Hauses mit dem Erdgeschoßsockel links vom Tor. Wie eine Brücke spannt sich die Wohnebene auf einer Stahlbetondecke über die Durchfahrt.

Vom Vorraum führt eine schön aus Sitzpodesten und Treppe gebildete Holzstiege nach oben. Links davon gibt es eine Sanitäreinheit, rechts daneben einen kleinen Raum mit Glastür ins Freie. In Corona-Zeiten bewährte er sich bestens als Home-Office, auch jetzt arbeitet der Bauherr dort gern gartennah. Der Hof wurde jenseits des Weges entsiegelt, die Bauherrin verwandelte den Rasenstreifen zu einem wunderbaren Bauerngarten. Noch auf der Baustelle blühten dort schon erste Rosen.

Geheimer Garten
Bei der Bestandsbegehung hatte man auch den Dachboden inspiziert der nur errichtet wurde, um besser ins Straßenbild zu passen; defacto nutzte man ihn nie. Seine Großzügigkeit begeisterte die Bauherren, sie waren Wiener Altbauhöhen gewöhnt und wünschten sich viel Weite. So kam der Neubau zu seinem offenen Holzdachstuhl, den weiß lasiertes Holz noch leichter und höher wirken läßt. Wie ein Zelt legt er sich über die zweigeschoßhohe Wohnküche, in deren Luftraum sich oben noch eine Empore schiebt. Sie ist nicht offen, sondern hat eine Wand mit zwei Fenstern und Blick in die Wohnküche, wie ein kleines Haus im Haus. Das passt zu Mannersdorf. „Es schafft eine ganz andere räumliche Situation“, sagt die Architektin. Im Südosten zieht sich noch ein Laubengang von Hofmauer zu Hofmauer über die gesamte Hauslänge und ein Stück Flachdach des Geschäfts. In diesem versteckten Garten sitzen die Bauherren oft und gern ein wenig erhaben über dem familiären Traktorverkehr in der Sonne.

Eigentümer: Privat
Planung: Mönkemöller und Kreppel Architekturbüro ZT OG
Autorin: DI Isabella Marboe
Fotos: Romana Fürnkranz
Drohnenfotos: Christoph Bertos