Trotz Vorwarnung, dass der gesuchte Weinbauernhof von der Straße kaum wahrnehmbar ist, fährt man, auch mit sensibilisierter Wachsamkeit, zuerst einmal daran vorbei. Nur ein dezentes Schild findet sich in der schmalen Hofeinfahrt: „Edlinger“.
Ein kleiner Hof, rechts das traditionelle gelbe Wohnhaus, daran angrenzend die ehemaligen Stallungen, die nun in Gästezimmer umgebaut sind, ein alter Baum, Sitzgelegenheiten, daneben ein Brunnen. Und wo ist hier ein Zubau? Erst auf den zweiten Blick erkennt man die Autostellplätze an der Nordseite des Hofes und dann, zu guter Letzt, den darüberliegenden Neubau.
Ein Zufall
„Der Zubau ist uns irgendwie passiert“, lacht Gabriele Edlinger. „Wir wollten eigentlich nur den Hof sanieren und wir haben Parkplätze gebraucht.“ Und „z´samg´ramt“ sollte sein, erklärt sie. Mittlerweile betreiben Gabriele und Josef Edlinger in 5. Generation den Familienbetrieb, der seit 1842 besteht.
Der Weingarten, der direkt hinter dem Haus anschließt, ist nur durch den Hof erreichbar. Die Arbeitsmaschinen und Fuhrwerke wurden im Laufe der Zeit immer massiver, bald mussten auch Lastwägen durch den nur schlecht betonierten Hof fahren, der dadurch sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Auch der überdachte Parkplatz im Hof war baufällig. Bei einer Weinverkostung kam Familie Edlinger mit dem Architekten Peter Reiter ins Gespräch, der sich für dieses Projekt sofort begeisterte. Seiner Idee, die Sanierung mit einer zusätzlichen Wohnraumschaffung zu kombinieren, wurde allerdings erst nach einigem Zögern zugestimmt.
Dachterrasse statt Gaupen – Fenstern
Zuletzt wurde vor 25 Jahren das Dach des Elternhauses zur Wohnung ausgebaut und seitdem jeder Euro in den Betrieb investiert. Man musste sich zuerst an den Gedanken gewöhnen, Geld für sich selbst auszugeben. Nur zwei Vorgaben gab es seitens der Familie. Erstens: Nach 25 Jahren Leben in der Dachmansarde nur mehr gerade Wände und viel Licht. Zweitens: Niemand hat Zeit, sich um diesen Umbau zu kümmern. Peter Reiter garantierte beides und gleich sein erster Entwurf wurde umgesetzt. Über dem Carport wurden zwei Geschoße errichtet. Ein 120 m² großer Wohnraum, darüber zwei große Terrassen.
Miteinander von alt und neu
Das Gebäude ist im Norden und Osten direkt an die Nachbargebäude angebaut und fügt sich trotz Zweigeschoßigkeit dezent in das, räumlich doch beengte, Umfeld von Nachbarhaus, Hof und altem Wohnhaus ein. Der Einsatz von natürlichen Materialien, die klaren und dezenten Formen, die offenen Räume, das viele Glas und der großzügige Lichteinfall über die zurückversetzten Dachterrassen sorgen für eine Symbiose von alter und neuer Bausubstanz, egal, von welcher Perspektive man es betrachtet. Die Terrassen bieten eine Sicht bis in die Wachau auf der einen und auf Stift Göttweig auf der anderen Seite.
Win – win Situation
Zeitdruck gab es beim Bau keinen. Ganz im Gegenteil: Dass sich die Bauphase über zweieinhalb Jahre erstreckte, wirkte sich günstig auf die Finanzierung aus, wie Gabriele Edlinger strahlend erklärt. Der Kostenvoranschlag wurde quasi auf den Euro genau eingehalten, beauftragt wurden hauptsächlich Betriebe aus der Umgebung. Die Zusammenarbeit mit dem Architekten funktionierte bestens. Das Gesamtkonzept, beginnend beim Entwurf über das Lichtkonzept bis hin zur Möblierung, sagte allen von Anfang an zu. Einzig der Einbau der Sauna war fraglich. Die wollte man anfangs als Stauraum für die Gartenmöbel verwenden. Das dritte Jahr wohnen Gabriele und Josef Edlinger jetzt überglücklich über ihrem Carport. Die alte Wohnung im Dachgeschoß des Altbaus ist den erwachsenen Kindern geblieben – und Saunageher sind sie mittlerweile auch.
Eigentümer: Gabriele und Josef Edlinger
Planung: Peter Reiter Architekten ZT GmbH