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NÖ Gestalte(n) Ausgabe 137

NÖ gestalten 137 23 nur ein neues Selbstbewusstsein, sondern ermöglichte ihm erst- mals auch ein autonomes, marktorientiertes und gewinnbrin- gendes Wirtschaften. Die meisten Vierkanter verdanken ihre stolzen Dimensionen nachweislich dem florierenden Mosthandel. Der überlieferte Spruch „Diese Häuser hat der Most gebaut“ ist durchaus wört- lich zu nehmen. Der Most, bisher nur bäuerlicher Haustrunk, ist im Verlauf des 19. Jahrhunderts zum begehrten Volksgetränk für eine Konsumentenschicht geworden, die es bis dahin nicht gegeben hat: die Arbeiterschaft, die durch die sozialen Umwäl- zungen der industriellen Revolution entstanden ist. Die vollen Mostkeller bescherten der Region einen permanent steigenden Wohlstand, der die Baukonjunktur beflügelte. Die meisten da- mals noch eingeschossigen Gehöfte wurden aufgestockt und erweitert bzw. von Grund auf neu errichtet. Aufwändiges Bau- en wurde zum Gradmesser bäuerlichen Repräsentationsbedürf- nisses und dokumentierte augenfällig die Gleichstellung mit Adel und Bürgertum. Wird fortgesetzt. Dr. Heimo Cerny Fest steht, dass alle Behausungen im ländlichen Raum bis in die frühe Neuzeit aus Holz gebaut waren: in Blockbauweise errich- tete Einraumhäuser, wo die bäuerliche Familie mit dem Gesinde auf engstem Raum beieinander lebte. Daneben unregelmäßig gruppiert lagen Stall, Stadel, Backhaus etc. Diese Streu- oder Haufenhof-Struktur hat sich in Gebirgsregionen terrainbedingt bis heute erhalten. Im Flach- und Hügelland des Mostviertels sind die einzelnen Gebäudeteile ab dem 17. Jh. allmählich ring- förmig um einen zentralen Hofraum zusammengewachsen. Ein fortschreitender Konzentrationsprozess zur Verkürzung der Arbeitswege unter einem gemeinsamen Dach führte über die Zwischenstufen des Haken- und Dreiseithofs schließlich zum Vierseit- und Vierkanthof. Vorbildwirkung für die Vierkanthof- bildung übten seit der Barockzeit die mächtigen und massiv ge- bauten Meier- und Zehenthöfe der weltlichen und geistlichen Grundherrschaften aus. Die 1848 gewonnene Befreiung von der Fußfessel der grund- herrschaftlichen Untertänigkeit verlieh dem Bauernstand nicht Der Bauplan und die angerfertige Skizze zeigen die Größe des Vier­ kanthofes, die sich von außen nur erahnen lässt. Auf der Archivaufnahme von 1901 ist zu sehen, dass viele helfende ­Hände von Nöten waren, um dieses gewaltige Bauprojekt fertigzustellen.

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